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Die SARS-CoV-2-Pandemie hat nicht zu einer nennenswerten Beeinträchtigung der Organspende in Deutschland geführt

Die gute medizinische Versorgung in Deutschland hat dazu beigetragen, dass transplantationsmedizinische Eingriffe ohne Beeinträchtigungen durchgeführt werden konnten. Es kam zu keiner nennenswerten Abnahme der Transplantationszahlen. Mittlerweile weiß man auch, dass eine Transplantation und in Folge die damit einhergehende Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten das SARS-CoV-2-Infektionsrisiko und das COVID-19-Erkrankungsrisiko per se nicht erhöhen. Das war eines der wesentlichen Ergebnisse, die auf der 29. Jahrestagung der Deutschen Transplantations-gesellschaft (DTG) diskutiert wurden.

In der SARS-CoV-2-Pandemie hat sich die hohe medizinische Versorgung in Deutschland ausgezahlt. Auch zum Höhepunkt der Pandemie reichten die Intensivkapazitäten, Beatmungs- und Dialyseressourcen. Alle erhielten die lebensrettenden Maßnahmen, keiner der Patienten musste einer Triagierung unterzogen werden. Auch wenn zahlreiche Betten für COVID-19-Patienten reserviert und die Kliniken aufgefordert wurden, elektive Eingriffe zu verschieben, war die medizinische Versorgung durchgehend gesichert und medizinisch notwendige Operationen, die nicht aufzuschieben waren, konnten durchgeführt werden. Diese Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems in der Krise muss gewürdigt und positiv hervorgehoben werden.

Die gute medizinische Versorgung hat dazu beigetragen, dass auch transplantationsmedizinische Eingriffe ohne Beeinträchtigungen durchgeführt werden konnten. Transplantationen – zumindest wenn es sich um die Organe verstorbener Spender handelt – gehören nicht zu den elektiven Eingriffen, sie sind weder plan- noch verschiebbar. Steht ein Organ durch einen Todesfall zur Verfügung, ermitteln die Algorithmen von Eurotransplant, welche Empfänger für das Organ und seinen speziellen Gewebemerkmalen in Frage kommen und wer bereits am längsten wartet. Dann wird das Transplantationszentrum dieses Patienten eingebunden, das den Patienten informiert und den Eingriff vorbereitet. Aufgrund des Organmangels warten in Deutschland Patienten durchschnittlich 6-8 Jahre und manchmal noch länger auf den einen erlösenden Anruf des Transplantationszentrums „Wir haben ein Organ für Sie. Kommen Sie sofort zu uns in die Klinik“. „Es wäre eine Katastrophe gewesen, wenn das System während der Pandemie versagt hätte und Patienten kein lebensrettendes Organ erhalten hätten“, erklärt Professor Dr. Christian Hugo, Dresden, Generalsekretär der Deutschen Transplantationsgesellschaft (DTG) und zeigt sich erleichtert, dass sich das System als so robust und krisensicher erwiesen hat.

Eine gerade publizierte Erhebung, die der Experte in Kooperation mit der DSO (Deutsche Stiftung Organtransplantation) durchgeführt hat, kam zu dem Ergebnis, dass es im Gegensatz zu nahezu allen anderen Europäischen Ländern zu keiner nennenswerten Abnahme der Transplantationszahlen in Deutschland gekommen war, auch nicht, als die SARS-CoV-2-Infektionszahlen von Mitte März bis Ende April auf einem Höchstniveau lagen. Im Durchschnitt war die Zahl der Transplantationen im März und April 2020 nur um 4,5% niedriger als im vergleichbaren Zeitraum 2019, wobei die Transplantationsrate von Organen verstorbener Spender sogar gleichgeblieben war. „Das zeigt, dass nur Transplantationen von Lebendspenden, die oft präemptiv und immer mit Vorlauf geplant und durchgeführt werden, angesichts der Pandemiesituation individuell verschoben wurden – was grundsätzlich auch vernünftig ist und die DTG empfohlen hat. Die ‚ad hoc‘-Transplantationen von Organen verstorbener Spender wurden aber durchgeführt, d.h. kein Wartelistenpatient musste wegen der Corona-Pandemie auf ein Organangebot verzichten und wurde um seine Chancen auf ein Spenderorgan gebracht“, so der Dresdener Experte. „Alle Transplantationszentren hatten ihre Transplantationsprogramme aufrechterhalten, aber natürlich ging seit dem Ausbruch der Pandemie zum Wohle und Schutz der Patienten das mögliche COVID-19-Risiko in die individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung vor einer Transplantation ein.

Die Studie von Hugo et al. hat auch ergeben, dass Transplantationen zu Zeiten der COVID-19-Pandemie insgesamt nicht gefährlicher oder deutlich risikoreicher waren als sonst. Auch mit einem Spenderorgan zu leben, erhöhte das Risiko einer COVID-19-Erkrankung nicht bedeutsam. Im größten COVID-19-Register, dem LEOSS-Register, waren insgesamt bis Ende Mai nur 55 SARS-CoV-2-positive Organempfänger erfasst worden, von denen lediglich vier innerhalb von drei Monaten nach der Transplantation an COVID-19 erkrankt waren. Das illustriert, dass eine Transplantation und die damit einhergehende Behandlung mit immunsuppressiven Medikamenten das Infektions- und Erkrankungsrisiko per se nicht erhöhen, obwohl einschränkend gesagt werden muss, dass die transplantierten Patienten natürlich für das Risiko sensibilisiert wurden und die Hygiene- und Abstandsregeln sicher strikter befolgten als der Durchschnittsbürger.

„Wer jahrelang auf ein Organ wartet, dann endlich eins erhält und so dem Tod von der Schippe springt, setzt seine Gesundheit nicht leichtfertig aufs Spiel und tanzt auf Großhochzeiten. Insofern stellen unsere Patienten eine gewisse Positivselektion dar, die aber zeigt, dass mit den Hygieneempfehlungen ein effektiver Infektionsschutz zu erreichen ist“, so Prof. Hugo. Besonders wichtig ist es dem Experten zu betonen, dass die Immunsuppression kein Risikofaktor für eine höhere Mortalität bei einer COVID-19-Erkrankung ist. Das hat eine – noch unpublizierte – „Matched-Pair“-Vergleichsanalyse des Leoss-Registers gezeigt. Auch gab es keinen einzigen Fall, wo es durch die Transplantation zur SARS-CoV-2-Ansteckung des Empfängers kam. Das Fazit des DTG-Generalsekretärs lautet: „Menschen, die vor kurzem ein Spenderorgan erhalten haben, sollen sich natürlich bestmöglich vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus schützen, müssen aber keine Sorge haben, dass das Risiko für einen schlechten COVID-19-Verlauf bei ihnen überproportional höher ist als bei Nicht-Transplantierten. Die zweite wichtige Botschaft lautet: Es gibt keinen Grund, die Transplantationsprogramme zu stoppen, selbst wenn die Infektionszahlen wieder weiter ansteigen. Wir können unsere Patienten sicher transplantieren und versorgen.“