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Verunreinigtes Valsartan: BfArM-Studie mit Krankenkassendaten ergibt keinen Hinweis auf ein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt

Eine Studie des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Zusammenarbeit mit dem wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) zu N-Nitrosodimethylamin (NDMA)-verunreinigtem Valsartan zeigt im Ergebnis kein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt. Um den Zusammenhang zwischen NDMA-verunreinigtem Valsartan und dem Risiko für Krebs zu untersuchen, werteten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Krankenkassenroutinedaten von mehr als 25 Millionen AOK-Versicherten aus. Bei der Analyse von Leberkrebs nach Verschreibung von NDMA-verunreinigtem Valsartan stellte die Studie ein statistisch signifikantes, wenngleich auch gering erhöhtes Risiko fest. Eine direkte Kausalität lässt sich daraus jedoch nicht ableiten und sollte weiterhin erforscht werden. Ebenso legt die Studie nahe, potenzielle Langzeiteffekte durch NDMA-verunreinigtes Valsartan weiter sorgfältig zu beobachten.

Ein erhöhtes Risiko für Krebs insgesamt wurde im untersuchten Zeitraum weder für eine dreijährige Langzeitanwendung festgestellt, noch in Abhängigkeit der Dosierung. Ein nicht erhöhtes Krebsrisiko insgesamt ist im Einklang mit Ergebnissen einer dänischen Studie zu dem Thema, die allerdings auf einer deutlich kleineren Stichprobengröße basierte. Die BfArM-Studie analysierte auch einzelne Krebsarten. Da aus rein biologischer Sicht Leberkrebs als wahrscheinlichste Krebsart nach oraler NDMA-Exposition zu erwarten wäre, wurde hierauf ein besonderes Augenmerk gelegt. Hier stellten die Forschenden einen statistisch signifikanten Effekt mit einer leichten Risikoerhöhung fest. Ein direkt kausaler Zusammenhang zwischen Verunreinigung und Erkrankung kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden. Die Stärke der Studie liegt zwar in der Stichprobengröße von rund 781.000 Personen, beruht allerdings auf Krankenkassenroutinedaten. Besondere Störfaktoren wie Rauchen, Ernährungsgewohnheiten oder genetische Prädisposition konnten daher nicht berücksichtigt werden. Auch konnten mittel- und langfristige Krebsrisiken aufgrund des begrenzten Beobachtungszeitraums noch nicht untersucht werden.

Insgesamt liefert die Studie wertvolle Informationen für die behördliche Risikoüberwachung weltweit, um die Auswirkungen von NDMA-Verunreinigungen in valsartanhaltigen Arzneimitteln auf die öffentliche Gesundheit zu bewerten. Die Studie steht beispielhaft dafür, wie umfassende „real world“-Daten mit wissenschaftlichen Methoden genutzt werden können, wichtige Fragen der Arzneimittelsicherheit zu beantworten. Im Hinblick auf NDMA-verunreinigtes Valsartan erscheint eine sorgfältige Beobachtung potenzieller Langzeiteffekte sinnvoll.

Zur Methode

Die Studie berücksichtigte alle bei der AOK versicherten Patientinnen und Patienten, die zu Beginn des Jahres 2012 vierzig Jahre oder älter waren und mindestens ein Rezept für Valsartan zwischen 2012 und 2017 eingelöst hatten. Weiterhin wurde ermittelt, ob eine potenzielle NDMA-Verunreinigung bei dem verschriebenen Arzneimittel vorlag. Dies geschah anhand der Pharmazentralnummer (PZN) in den Datensätzen der eingelösten Verschreibungen sowie durch Informationen der Zulassungsinhaber über die Valsartan-Arzneimittel. Zentraler Endpunkt innerhalb der Studie war eine neu aufgetretene Krebsdiagnose, die nach der Valsartan-Verschreibung erfolgte. Auf dieser Datengrundlage berechneten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Hilfe des sogenannten Cox-Regressionsmodells die Risikoänderung für Krebs gesamt und für einzelne Krebsarten.

Zum Hintergrund

N-Nitrosodimethylamin (NDMA) gehört zur Gruppe der Nitrosamine und ist von der internationalen Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation WHO und der Europäischen Union als wahrscheinlich krebserregend beim Menschen eingestuft. Nachdem Mitte des Jahres 2018 NDMA-Verunreinigungen eines Valsartan-Wirkstoffs entdeckt wurden, leitete die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) ein Risikobewertungsverfahren zu diesen Arzneimitteln ein. Die Herstellungsprozesse wurden umfänglich untersucht, da der betroffene Hersteller zuvor eine Änderung der Wirkstoffsynthese vorgenommen hatte. Die weitere Bewertung führte dazu, dass die EMA einen neuen Grenzwert festlegte. Die pharmazeutischen Unternehmer müssen seitdem gezielt alle Maßnahmen in ihren Herstellungsprozessen ergreifen, um das Vorhandensein dieser Verunreinigungen zu vermeiden.

Die Originalarbeit „N-Nitrosodimethylamin-kontaminiertes Valsartan und Krebsrisiko“ ist im Deutschen Ärzteblatt (Ausgabe 21/2021) verfügbar: https://www.aerzteblatt.de/archiv/219177/N-Nitrosodimethylamin-kontaminiertes-Valsartan-und-Krebsrisiko