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Studien über „Long COVID“

Bonner Forschende suchen nach Auffälligkeiten im Blut

Manche Menschen, die eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus überstanden haben, leiden im Nachhinein unter schwerwiegenden gesundheitlichen Beschwerden. Diese Langzeitfolgen werden mit dem englischen Begriff „Long COVID“ beschrieben. Bonner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen im Blut nach Ursachen dafür suchen. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) fördert dazu zwei Projekte unter Federführung des DZNE mit insgesamt rund 500.000 Euro. Darüber hinaus ist das DZNE an einem Forschungsprojekt beteiligt, das sich insbesondere mit Anzeichen für Neurodegeneration bei Long COVID befasst.

Chronische Erschöpfung, Kurzatmigkeit und Gedächtnisstörungen sind einige der Spätfolgen, von denen Menschen nach einer Infektion mit dem Coronavirus berichten. Schätzungen zufolge ist ungefähr jede zehnte Person, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 durchgemacht hat, davon betroffen. „Long COVID ist ein drängendes Problem und wir wissen noch wenig über dessen Ursachen. Das macht eine effektive Behandlung schwierig“, sagt Prof. Joachim Schultze, Direktor für Systemmedizin am DZNE. Im Rahmen der nun geförderten Projekte, bei denen das DZNE mit der Universität Bonn und weiteren Partnern kooperiert, will ein Forschungsteam um Schultze daher das Blut von Menschen mit Long COVID auf Auffälligkeiten prüfen. Mit modernsten Methoden der Genomforschung werden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Immunzellen des Blutes – die „weißen Blutkörperchen“ – untersuchen und deren Transkriptome analysieren. Das sind molekulare Fingerabdrücke, die die Genaktivität und damit den Zustand und die Funktion von Zellen widerspiegeln.

„Das Immunsystem spielt während der akuten Phase einer Corona-Infektion eine wichtige Rolle. Je nachdem, ob es schwach reagiert, angemessen oder sogar überreagiert, verläuft eine COVID-19-Erkrankung mehr oder weniger schwerwiegend“, so Schultze. „Wir vermuten, dass bei Menschen mit Long COVID das Immunsystem durch die vorangegangene Infektion dauerhaft gestört wurde und dass dieser Zustand die gesundheitlichen Beschwerden zumindest mitverursacht.“ Die Bonner Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden daher nach Besonderheiten im Immunstatus vom Menschen mit Long COVID suchen und überdies nach genetischen Risikofaktoren. Dank der bundesweiten Mitwirkung diverser Forschungspartner – darunter Mitglieder der „German COVID-19 OMICS Initiative“ (DeCOI) – werden Daten aus mehreren Studiengruppen und damit zahlreicher Patientinnen und Patienten in die Analysen einfließen.

In vorherigen Untersuchungen über COVID-19 fanden Forschende um Schultze Gründe dafür, warum das Immunsystem manchmal nicht richtig reagiert, und sie konnten auch – basierend auf der Immunantwort – verschiedene Patientengruppen identifizieren. „Für unsere neuen Studien müssen wir nicht bei Null anfangen, sondern profitieren von unseren Erfahrungen und der bewährten Zusammenarbeit mit den vielen wissenschaftlichen Partnern“, so Schultze.

Suche nach Nervenschäden

Um zu einem umfassenden Verständnis von Long COVID beizutragen, verfolgt das DZNE noch weitere Wege: Für das Forschungsvorhaben COVIMMUNE des Universitätsklinikums und der Universität Bonn, das verschiedene Aspekte von Long COVID abdeckt, stellt das DZNE Technologie zur Erkennung von Nervenschäden bereit. „Wenn Nervenzellen des Gehirns geschädigt werden oder gar absterben, können Überreste des Zellgerüsts in die Blutbahn gelangen. Wir werden in Blutproben von Patientinnen und Patienten mit einer speziellen Technik nach diesen Neurofilamenten suchen. Ihr Vorkommen kann auf neurodegenerative Prozesse hinweisen“, so Prof. Michael Heneka, Direktor der Klinik für Neurodegenerative Erkrankungen und Gerontopsychiatrie des Universitätsklinikums Bonn und Forschungsgruppenleiter am DZNE. „Es gibt den Verdacht, dass COVID-19 das Risiko vergrößert, langfristig eine neurodegenerative Erkrankung zu entwickeln, insbesondere eine Alzheimer-Erkrankung. Studien über die Spätfolgen einer Corona-Infektion sind wichtig, um feststellen zu können, ob in der Tat ein erhöhtes Risiko für Neurodegeneration besteht.“

Über das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE): Das DZNE ist eine Forschungseinrichtung, die sich mit sämtlichen Aspekten neurodegenerativer Erkrankungen (wie beispielsweise Alzheimer, Parkinson und ALS) befasst, um neue Ansätze der Prävention, Therapie und Patientenversorgung zu entwickeln. Durch seine zehn Standorte bündelt es bundesweite Expertise innerhalb einer Forschungsorganisation. Das DZNE kooperiert eng mit Universitäten, Universitätskliniken und anderen Institutionen auf nationaler und internationaler Ebene. Es wird öffentlich gefördert und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft.