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Individuellere Prognosebewertung und Therapie bei Hodenkrebs durch innovative Biomarker

Wie kann die Prognosebewertung und Therapieentscheidung bei Patienten mit Seminom, dem bösartigen Keimzelltumor der Hoden, individualisiert werden? Ein Forscherteam am Universitätsklinikum des Saarlandes will dafür eine microRNA-Signatur als Biomarker etablieren, unter Leitung von Medizin-Professorin Kerstin Junker und Privatdozentin Dr. Julia Heinzelbecker. Das Projekt wird von der Interdisziplinären Hodentumorgruppe der Arbeitsgemeinschaften für internistische Onkologie, für radiologische Onkologie und für urologische Onkologie der Deutschen Krebsgesellschaft (German Testicular Cancer Study Group,) unterstützt und durch die Deutsche Krebshilfe mit 198.000 Euro gefördert.

Seminome haben einen Anteil von bis zu 60 Prozent an Keimzelltumoren des Hodens. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts erkranken in Deutschland jedes Jahr etwa 4.200 Männer an einem bösartigen Hodentumor. Ein Hodentumor betrifft vor allem junge Männer zwischen 25 und 45 Jahren. In dieser Altersstufe ist er – mit 20 bis 30 Prozent aller Krebsfälle – die häufigste Tumorneuerkrankung bei Männern. Ein typisches Frühsymptom ist die schmerzlose, verhärtete Schwellung meist eines Hodens.

„Bei den meisten Patienten kann Hodenkrebs geheilt werden, indem der Tumor in einem frühen Stadium entdeckt und operativ entfernt wird“, erläutert Privatdozentin Dr. Julia Heinzelbecker, Geschäftsführende Oberärztin der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS). Bei cirka 20 Prozent der Betroffenen besteht jedoch das Risiko einer späteren Metastasierung. Um dieses Risiko zu reduzieren, können neben der engmaschigen Überwachung auch unterstützende Behandlungskonzepte wie Chemotherapie und Bestrahlung eingesetzt werden, die allerdings auch mit erheblichen Kurz- und Langzeittoxizitäten verbunden sind.

„Dies hat gerade unter dem Aspekt des überwiegend jungen Alters der Patienten erhebliche Bedeutung. Sie werden zwar vom Krebs geheilt, müssen dafür aber eventuell eine verminderte Lebensqualität in Kauf nehmen. Zudem ist ihr Risiko, im weiteren Verlauf ihres Lebens an einer Zweitkrebserkrankung zu versterben, im Vergleich zur Normalbevölkerung erhöht“, erklärt Julia Heinzelbecker. „Um eine Übertherapie zu vermeiden, ist es wichtig, das individuelle Risiko für eine Metastasierung zu bewerten. Dies ist jedoch mit klassischen klinischen und histopathologischen Parametern (Biopsie) kaum möglich.“

Ein neuer innovativer Ansatz für die Therapieentscheidung und Prognosebewertung ist die so genannte „liquid biopsy“. Für diese Art der „flüssigen Biopsie“ würde ein Tropfen Blut ausreichen, der mittels molekularbiologischer Methoden auf microRNA-Muster untersucht wird. Im Rahmen des aktuellen Projekts sollen, aufbauend auf den Vorarbeiten der Homburger Forscher, ausgewählte microRNAs (miRNAs) als prognostische Marker für die Metastasierung gefunden und daraus eine Signatur entwickelt werden.

„Damit könnte vermieden werden, dass Patienten in frühen Stadien und mit niedrigem Risiko unnötigerweise einer Chemotherapie ausgesetzt werden. Es könnte zudem die Intensität der Chemotherapie oder Bestrahlung angepasst werden“, beschreibt Kerstin Junker, Medizin-Professorin der Universität des Saarlandes und Leiterin der klinisch-experimentellen Forschung der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum des Saarlandes die klinische Bedeutung der Forschungen. „Darüber hinaus könnten Patienten mit einem hohen Risiko für eine Metastasierung früher von einer intensiveren Therapie profitieren.“

„Zunächst werden wir typische Muster von microRNAs identifizieren, die für Proben von Patienten mit Seminom charakteristisch sind“, erklärt Professorin Junker. „Außerdem werden wir prüfen, ob frei zirkulierende miRNAs oder in extrazelluläre Vesikel verpackte miRNAs eine bessere Aussage erlauben. Darüber hinaus untersuchen wir die funktionelle Rolle ausgewählter miRNAs in vitro, also im Labor in Zellkulturen.“

Die Micro-Ribonuklein-Säuren oder im Englischen „Micro-Ribonucleic-Acid“ (miRNA) sind winzig kleine Moleküle – nur 21 bis 23 Nukleotide lang, die in Zellen- und in Körperflüssigkeiten wie Blut und Urin zu finden sind. Sie kodieren keine Proteine. Sie binden an messengerRNAs (mRNA) und verhindern so die Umschreibung in Eiweiße. Sie spielen deshalb eine wichtige Rolle bei der Entwicklung und Funktion der Zelle, aber auch bei der Tumorentstehung, Metastasierung und Therapieresistenz. Die wachsende Zahl bekannter miRNAs ermöglicht es, bestimmte miRNA-Signaturen mit bestimmten Zellaktivitäten in Verbindung zu bringen. Solche miRNA-Muster sind wesentlich aussagekräftiger als einzelne Markermoleküle.

Spezifische miRNA-Muster im Blut können beispielsweise Lungenkrebs oder Multiple Sklerose mit einer Zuverlässigkeit von mehr als 95 Prozent nachweisen. Inzwischen konnte auch eine miRNA (miR-371) zur Diagnose von Hodentumoren im Blut etabliert werden.

Die miRNA-Fingerprint-Forschung für verschiedene Erkrankungen wird am Standort Homburg seit Jahren von namhaften Wissenschaftlern vorangetrieben und im Rahmen von zahlreichen Projekten gefördert, so auch für verschiedene urologische Tumoren (Nieren-, Blasen-, Prostata- und Penistumoren) durch die Arbeitsgruppe in der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums des Saarlandes (UKS).