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Auf dem Weg zu neuen Therapiemöglichkeiten beim Myelodysplastischen Syndrom

Molekulare Charakterisierung des Knochenmarkstromas schließt somatisch erworbene Mutationen als mögliche Krankheitsauslöser aus

Hämatologische Erkrankungen wie Myelodysplastische Syndrome (MDS), Chronische Myelomonozytäre Leukämien (CMML) oder Akute Myeloische Leukämien (AML) sind nicht nur Erkrankungen der blutbildenden Zellen. Die Forschung der letzten Jahre hat gezeigt, dass diese Erkrankungen auch mit molekularen Veränderungen der Mikroumgebung des Knochenmarks – auch als Knochenmarknische oder Knochenmarkstroma bezeichnet – verbunden sind. Daraus ergab sich die Vermutung, dass auch Mutationen in Zellen des Knochenmarkstromas mögliche Auslöser dieser Erkrankungen sein könnten.

Diese Vermutung hat eine Arbeitsgruppe an der III. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mannheim (UMM), unter der Leitung von Professor Dr. med. Daniel Nowak, jetzt erfolgreich wiederlegt. In Ihrer aktuellen Arbeit charakterisierten die Wissenschaftler mesenchymale Stromazellen des Knochenmarks (MSCs) von MDS-Patienten auf der molekularen Ebene. Dabei konnten sie zeigen, das MSCs dieser Patienten zwar vielfältig krankhaft verändert sind, es sich dabei aber nicht um erworbene Mutationen handelt, die als Krankheitsauslöser wirken.

Im Rahmen umfangreicher molekularer Analysen führte der Erstautor der im renommierten Journal Nature Communications veröffentlichten Studie*, Dr. med. Johann Christoph Jann, in rund 100 Patientenproben von MDS-Patienten, die im MDS-Exzellenzzentrum Mannheim behandelt wurden, sogenannte Ganzexomsequenzierungen (Sequenzierung aller bekannten Gene) durch. Dabei stellte er fest, dass Zellen der Mikroumgebung eine deutlich gesteigerte genomische Instabilität sowie erhöhte entzündliche Genexpressionsprofile aufwiesen – beides bekannte Merkmale von Krebs.

In zahlreichen funktionellen und validierenden Untersuchungen mit hochaufgereinigten Populationen mesenchymaler Knochenmarkstromazellen von MDS-Patienten fanden die Wissenschaftler jedoch keine Hinweise auf klonale, somatisch erworbene Mutationen, die als Treiber der Erkrankung dienen könnten. Die Wissenschaftler vermuten, dass die beobachteten Mutationsereignisse weitgehend sekundär auf die Expansion der Zellen in der Kultur zurückzuführen sind. Die Frage, ob erworbene Mutationen im Stroma-Kompartiment des Knochenmarks von MDS-Patienten als ursächliche oder mitwirkende pathogene Faktoren bei der Krankheit wirken können, kann damit verneint werden.

Die Arbeitsgruppe von Professor Nowak arbeitet an dem übergeordneten Ziel, neue Therapiemöglichkeiten für MDS-Patienten zu entwickeln, die sich gegen die gestörte Kommunikation zwischen Zellen der erkrankten Blutbildung und der Knochenmarkmikroumgebung bei MDS-Patienten richten. Mit ihrer molekularen Charakterisierung der Knochenmarkstromazellen von MDS-Patienten konnten sie einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis der biologischen Mechanismen in der Knochenmarkmikroumgebung dieser Patienten leisten.

Die Ergebnisse dieser Arbeit helfen dabei, neue therapeutische Ziele wie die entzündlichen Vorgänge, die genomische Instabilität als auch veränderte Strukturen der extrazellulären Matrix zu identifizieren. Die Wissenschaftler aus Mannheim entwickeln derzeit aus ihren neuen Erkenntnissen heraus klinische Studien, die den Patienten der MDS-Sprechstunde der UMM angeboten werden können.

*Publikation

Bone marrow derived stromal cells from myelodysplastic syndromes are altered but not clonally mutated in vivo.
Johann-Christoph Jann, Maximilian Mossner, Vladimir Riabov, Eva Altrock, Nanni Schmitt, Johanna Flach, Qingyu Xu, Verena Nowak, Julia Obländer, Iris Palme, Nadine Weimer, Alexander Streuer, Ahmed Jawhar, Ali Darwich, Mohammad Jawhar, Georgia Metzgeroth, Florian Nolte, Wolf-Karsten Hofmann & Daniel Nowak
Nat Commun 12, 6170 (2021)
DOI: 10.1038/s41467-021-26424-3