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Zelluläre Immuntherapien – Präzisionsmedizin gegen Krebs

Ermutigende Zwischenergebnisse zur Krebstherapie liefert eine aktuelle Studie (DOI: 10.1182/blood.2020009759): Sie testet den Einsatz gentechnisch veränderter T-Zellen, die sich an- und abschalten lassen. Das macht die Immunreaktion kontrollierbar und die Therapie verträglicher.

Körpereigene Zellen des Immunsystems genetisch so zu modifizieren, dass sie Krebszellen erkennen, angreifen und ausschalten – dafür hat der Forschungsverbund TurbiCAR eine neuartige Therapie entwickelt. Seit 2020 wird diese erstmals an Patientinnen und Patienten getestet, die an Akuter Myeloischer Leukämie (AML) erkrankt sind, einer gefährlichen Form des Blutkrebses. „Die frühen Studiendaten zeigen eine gute Verträglichkeit und eine ermutigende Wirkung“, sagt Professor Dr. Michael Bachmann, Direktor des Instituts für Radiopharmazeutische Krebsforschung am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR). Bachmann leitet den Forschungsverbund TurbiCAR, dem neben der Medizinischen Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden und dem Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM) die Firmen GEMoaB und Cellex Patient Treatment (CPT) angehören.

Die medizinische Fachwelt verfolgt die aktuell laufende Studie mit großem Interesse. Denn erweist sich die von TurbiCAR entwickelte Therapie als wirksam und sicher, könnte sie der Ausgangspunkt für die Entwicklung zahlreicher weiterer zellulärer Therapien sein – nicht nur gegen verschiedene Krebserkrankungen, sondern auch gegen Autoimmun- und Infektionskrankheiten. So entwickeln Forschende am HZDR aktuell auch neue Ansätze für die Therapie und Diagnostik von COVID-19.

Schaltbare CAR-T-Zellen (UniCARs) – so funktioniert die neue Therapie

T-Zellen gehören zu dem Teil unseres Immunsystems, das lernen kann, neue Bedrohungen zu erkennen und auszuschalten. Forscherinnen und Forscher haben einen Weg gefunden, der Immunabwehr gentechnisch Nachhilfe zu geben: Sie lenken die Sensoren der Immunzellen auf die Krebszellen, damit sie diese zielgenau erkennen und angreifen können. Die dafür gentechnisch modifizierten T-Zellen tragen einen „Chimeric Antigen Receptor“ (CAR). Wie ein Fühler ragt der Rezeptor aus den Immunzellen heraus und erkennt Strukturen auf der Oberfläche von Krebszellen. Mit diesen gentechnisch maßgeschneiderten Rezeptoren docken die T-Zellen an ihre Zielzellen an, töten sie und lösen zugleich eine Immunreaktion gegen die Krebszellen aus.

Diese Immunantwort konnte bei den bisherigen CAR-T-Zelltherapien lebensbedrohliche Nebenwirkungen auslösen, insbesondere wenn die Zielstruktur der CAR-T-Zellen nicht nur auf Krebszellen, sondern auch auf gesunden Geweben vorkommt. Um die Immunantwort kontrollieren zu können, entwickelte der Forschungsverbund molekulare Schalter, über die sich CAR-T-Zellen aktivieren und deaktivieren lassen. Die T-Zellen binden dazu nicht mehr direkt an die Krebszellen, sondern an ein Brückenmolekül, das wiederum an die Zielstruktur auf den Krebszellen bindet und so den Kontakt zwischen T-Zellen und Krebszellen vermittelt. „Bei der neuen Therapie erhalten die Patientinnen und Patienten zunächst ihre eigenen, außerhalb des Körpers modifizierten T-Zellen zurück – und zeitversetzt dazu per Infusion das Brückenmolekül, das die UniCAR-T-Zellen aktiviert. Treten danach schwere Nebenwirkungen auf, kann die Infusion einfach abgesetzt und die Immunantwort heruntergefahren werden“, so Bachmann. Damit dieser Schalter innerhalb weniger Stunden wirkt, hatten Forschende der TU Dresden die Bindungsstabilitäten und Ausscheidungsgeschwindigkeiten vieler Brückenmolekül-Kandidaten aufwendig geprüft und optimiert.

Im Rahmen von TurbiCAR wurden das Therapiekonzept und das Know-how aus diesen Vorarbeiten auf die Therapie der AML übertragen. „Vor dem Einsatz im Menschen mussten wir das Brückenmolekül in pharmazeutischer Qualität herstellen und prüfen“, sagt Dr. Armin Ehninger, der diese Arbeiten beim Industriepartner GEMoaB in enger Zusammenarbeit mit Professor Dr. Holger Ziehr (ITEM) leitete. „Die hohen Qualitätsanforderungen gelten ebenso für die Herstellung der UniCAR-T-Zellen, die sich im Körper der Patientinnen und Patienten vermehren und sie langfristig gegen den Blutkrebs schützen sollen“, ergänzt Dr. Marc Cartellieri von der Firma CPT, welche die Zellen herstellt.

Ermutigende Studienergebnisse

Mit dem UniCAR-System wird weltweit erstmals eine pharmakologisch kontrollierbare zelluläre Therapie am Menschen getestet. An der Studie beteiligen sich ausgewählte deutsche Universitätskliniken, die über umfangreiche Erfahrungen mit klinischen Studien der Phase I, akuten Leukämien und CAR-T-Zellen verfügen. „Bei der Mehrheit der bislang acht behandelten Patientinnen und Patienten beobachteten wir eine schnelle Erholung der Blutbildung und damit eine deutliche therapeutische Wirkung. Zudem zeigen die Daten eine gute Verträglichkeit der Therapie“, so Privatdozent Dr. Martin Wermke, der die Studie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden leitet. „Nach erfolgreichem Abschluss dieser ersten Studie – voraussichtlich im kommenden Jahr – werden wir auch die nächsten Studienphasen bis zur Zulassung der Therapie vorantreiben“, sagt Professor Dr. Gerhard Ehninger. Der Mediziner, Gründer von CPT und – zusammen mit Bachmann – Mitbegründer von GEMoaB, hat den Studienplan entwickelt und koordiniert die Zusammenarbeit mit der Zulassungsbehörde.

Publikation:

M. Wermke, S. Kraus, A. Ehninger, R. C. Bargou, M.-E. Goebeler, J. M. Middeke, C. Kreissig, M. von Bonin, J. Koedam, M. Pehl, M. Bornhäuser, H. Einsele, G. Ehninger, M. Cartellieri, Proof of concept for a rapidly switchable universal CAR-T platform with UniCAR-T-CD123 in relapsed/refractory AML, in Letter to Blood, (2021) (DOI: 10.1182/blood.2020009759)

Innovationen für die individualisierte Medizin

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert TurbiCAR von 2016 bis 2022 mit mehr als 3 Millionen Euro im Rahmen seiner Initiative „Innovationen für die individualisierte Medizin“. Die geförderten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben zielen auf die Einführung neuer diagnostischer und therapeutischer Verfahren und Produkte im Hinblick auf eine personalisierte Medizin. Sie sind darauf ausgerichtet, den Einfluss von krankheits- und therapierelevanten Genen, Proteinen und anderen Molekülen nutzbar zu machen. Von 2015 bis 2022 stellt das BMBF für diese Initiative insgesamt bis zu 29 Millionen Euro zur Verfügung.

Weiterentwicklung der Therapie

Wenn sich die ermutigenden Zwischenergebnisse der Studie bestätigen und das UniCAR-System für die zukünftige Behandlung von AML-Patientinnen und -Patienten zugelassen werden sollte, wollen die Forschenden diesen Therapieansatz weiterentwickeln. Er soll dann zum Beispiel nicht mehr auf körpereigenen Zellen, sondern auf CAR-T-Zellprodukten von gesunden Spenderinnen und Spendern basieren. Das hätte den Vorteil, dass die Therapie bei einer akut erkrankten Person sofort einsatzbereit ist – und zugleich weniger kostenintensiv. Außerdem ließe sich dadurch schwer kranken Menschen die belastende Entnahme eigener Immunzellen ersparen.

Beispiel TurbiCAR

Die Entwicklung innovativer Therapien braucht viel Zeit und ist enorm aufwendig. Viele Akteure müssen dabei zusammenarbeiten und unterschiedliche Aufgaben erfüllen – das zeigt das Beispiel TurbiCAR:

Prof. Dr. Michael Bachmann: Direktor des Instituts für Radiopharmazeutische Krebsforschung am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR); Leiter des Forschungsverbundes TurbiCAR

Dr. Armin Ehninger: GEMoaB

Prof. Dr. Holger Ziehr: Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Experimentelle Medizin (ITEM)

Dr. Marc Cartellieri: Cellex Patient Treatment (CPT)

Privatdozent Dr. Martin Wermke: Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

Prof. Dr. Gerhard Ehninger: Gründer von CPT und – zusammen mit Prof. Bachmann – Mitbegründer von GEMoaB