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Lockdown-Augen: Werden unsere Kinder in der Pandemie kurzsichtig?

Original Titel:
Progression of Myopia in School-Aged Children After COVID-19 Home Confinement

 

Kurz & fundiert
  • Lockdown und Kontaktsperre: Mehr Zeit am Bildschirm, weniger natürliches Licht
  • Ein Problem für sich entwickelnde Augen?
  • Augenuntersuchungen mit über 100 000 Kindern über 6 Jahre in China
  • Erhöhte Prävalenz von Myopie bei jungen Schülern

 

DGP – Führt die lange Zeit zu Hause aufgrund von Lockdown und Kontaktsperren wegen der Coronavirus-Pandemie zu mehr Kurzsichtigkeit bei Kindern? Dies untersuchte nun eine Querschnittsstudie, in der 194 904 Photoscreening-Tests mit 123 535 Kindern durchgeführt wurden. Dabei zeigte sich ein substantieller myopischer Shift, also eine stärkere Kurzsichtigkeit besonders bei Kindern zwischen 6 und 8 Jahren. Generell erhöhte sich die Prävalenz von Myopie im Jahr 2020 im Vergleich zu den 5 vorherigen Jahren messbar.


Während aufgrund der Pandemie weniger Zeit in der Schule und kaum Zeit draußen mit Freunden verbracht werden kann, sind viele Kinder deutlich häufiger in ihren Zimmern anzutreffen. Freunde treffen, Großeltern sehen, sogar Schulunterricht – all dies findet derzeit viel öfter digital statt, als in einer dreidimensionalen Welt mit natürlichem Licht und komplexen Ansprüchen an unser Sehsystem.

Lockdown und Kontaktsperre: Mehr Zeit am Bildschirm, weniger natürliches Licht

Führt die lange Zeit zu Hause aufgrund von Lockdown und Kontaktsperren wegen der Coronavirus-Pandemie zu mehr Kurzsichtigkeit bei Kindern? Dies untersuchte nun eine Querschnittsstudie, die in China Augenuntersuchungen mit über 100 000 Kindern durchführte.

In der prospektiven Querschnittsstudie wurden 194 904 Photoscreening-Tests mit 123 535 Kindern in 10 Grundschulen in China seit 2015 durchgeführt. Kinder zwischen 6 und 13 Jahren wurden untersucht. Die Augen der Kinder wurden mit einem Photorefraktor untersucht. Das Gerät basiert auf dem Prinzip, dass Licht, das in unsere Augen hineingeleuchtet wird, teils wieder reflektiert wird und mittels einer Kamera aufgezeichnet werden kann. Je nachdem, wo der Fokuspunkt der Augenlinse liegt, wird das Licht umgekehrt oder in der gleichen Richtung widergespiegelt – stellt man sich einen Baum vor, der als Licht ins Auge fällt, wird dieser also je nachdem, wo die Linse das Bild scharf abbildet, mal korrekt oder mit der Baumkrone nach unten zurückgegeben. Das Testgerät kann daraus ermitteln, ob und in welcher Weise das Auge fehlsichtig ist.

Augenuntersuchungen mit über 100 000 Kindern über 6 Jahre

Jedes Kind wurde getestet. Die Prävalenz der Myopie in jeder Altersgruppe während jeden Jahres wurde berechnet. Die durchschnittlichen Werte wurden schließlich zwischen dem Jahr 2020 (nach dem Lockdown) und den vorhergehenden 5 Jahren für jede Altersgruppe bestimmt.

123 535 Kinder wurden in die Studie aufgenommen, davon 64 335 (52,1 %) Jungen. Insgesamt 194 904 Testergebnisse (389 808 Augen) wurden analysiert. Dabei zeigte sich ein substantieller, myopischer Shift, also eine stärkere Kurzsichtigkeit von -0,32 Dioptrien (6-Jährige), von -0,28 Dioptrien (7-Jährige) und -0,29 Dioptrie (8-Jährige) bei jüngeren Schulkindern im Jahr 2020 verglichen mit den Jahren 2015 – 2019. Die Prävalenz von Myopie erhöhte sich im Jahr 2020 im Vergleich zu den 5 vorherigen Jahren um den Faktor 1,4 – 3:

  • 6-Jährige: 21,5 % in 2020 vs. 5,7 % in den Vorjahren
  • 7-Jährige: 26,2 % in 2020 vs. 16,2 %
  • 8-Jährige: 37,2 % in 2020 vs. 27,7 %

Die Differenzen in Fehlsichtigkeit und Prävalenz der Myopie waren dagegen nur minimal bei Kindern zwischen 9 und 13 Jahren, berichten die Autoren.

Lockdown-Augen? Erhöhte Prävalenz von Myopie bei jungen Schülern im Jahr 2020

Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass sich in der gestiegenen Zeit zuhause wegen der Pandemie die Fehlsichtigkeit bei Kindern deutlich in Richtung Kurzsichtigkeit verschlechtert hat. Dieser myopische Shift zeigte sich besonders bei jüngeren Kindern zwischen 6 und 8 Jahren, deren Augen sich in einer wichtigen Phase der Entwicklung befinden und daher eventuell noch empfindlicher auf Veränderungen in ihrer Umwelt reagieren als ältere Kinder. Die Forscher planen, die Studie fortzuführen und damit zu untersuchen, ob die gefundenen Kollateralschäden der Pandemie auf das Sehvermögen der Kinder permanent oder reversibel ist.

[DOI: 10.1001/jamaophthalmol.2020.6239]

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