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Hilfe für psychisch belastete Herzpatienten

Bonn, 3. Mai 2022 – Herz-Kreislauf-Patienten leiden häufig unter psychischen Belastungen, so auch Inge S. und Lothar S. Seit etwa einem Jahr werden beide im Rahmen der so genannten TEACH-Studie von der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Bonn (UKB) erfolgreich begleitet. Die Forschungsarbeit soll klären, ob eine patientenzentrierte Unterstützung, die medizinische und psychosoziale Faktoren berücksichtigt, den Krankheitsverlauf Betroffener nachhaltig verbessern kann. Das UKB ist seit Beginn der Studie im April 2021 eins von insgesamt sechs Studienzentren. Ziel ist eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und des Gesundheitsverhalten.

„Auch nach der Bypass-OP hatte ich immer noch Angst – Angst davor, morgens wegen einem plötzlichen Herzversagen nicht mehr aufzuwachen“, sagt Inge S. Letzten Sommer bekam die 51-Jährige teilweise kaum noch Luft, denn ihre herznahen Blutgefäße waren stark verengt. „Eine Herzkrankheit ist für nahezu jeden Patienten ein einschneidendes Erlebnis, häufig sogar ein Schock, der mit Todesängsten einhergeht“, weiß Prof. Dr. Georg Nickenig, Kardiologe und Direktor der Medizinischen Klinik II am UKB. Zusätzlich realisieren einige Betroffene wie Inge S, dass sie schon seit Jahren unter Dauerstress stehen und daher mehr auf sich achten möchten. „Ich will besser mit Stress umgehen können und nicht wieder in den alten Alltagstrott fallen“, beschreibt Inge S. ihre Motivation an der Studie teilzunehmen.

Problem ist, gesundheitsförderndes Verhalten im Alltag umzusetzen

Anderen wie Lothar S. fällt es eher schwer gesund zu leben. „Die Diagnose Herzinfarkt traf mich letztes Jahr ganz ohne Vorwarnung in der Corona-Pandemie. Im Lockdown hatte ich kaum Bewegung und zudem plötzlich hohe Cholesterin-Werte. Da kam wohl einiges zusammen“, sagt der 65-Jährige. Wie Inge S. gehört er zu den bereits 39 der geplanten 74 koronaren Herzpatienten des Herzzentrums am UKB, die bisher in der TEACH-Studie integriert sind. „In solchen Fällen ist eine interdisziplinäre Therapie von großer Bedeutung und als Herzzentrum des Bonner Universitätsklinikums freuen wir uns sehr über die enge Kooperation mit der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, durch die unsere Patienten neben der kardiologischen auch eine hervorragende psychosomatische Nachsorge erhalten“, sagt Prof. Dr. Farhad Bakhtiary, Direktor der Klinik für Herzchirurgie am UKB.

„Wie passt das Alles in mein Leben?“

„Die Patienten sind durch die koronare Herzerkrankung aus der Bahn geworfen. Sie haben Sorgen und sind verzweifelt. Manche entwickeln sogar eine Depression“, sagt Prof. Dr. Franziska Geiser, Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am UKB. „Für viele ist es schwierig, bei der Konfrontation mit der Diagnose eine neue Perspektive zu finden. Sie sind orientierungslos in Bezug auf den neuen Lebensstil: Was ist noch erlaubt und was nicht?“ Genau hier setzt die TEACH-Studie an: Als Ergänzung zur medizinischen Betreuung unterstützt eine nichtärztliche Behandlungsassistenz den Herzpatienten, gesundheitsfördernde Änderungen des Lebensstils umzusetzen und im Alltag aufrechtzuerhalten. „Wir holen die Patienten dort ab, wo sie stehen und unterstützen sie, ihre persönlichen Ziele zu erreichen. Wir versuchen ihnen zur Autonomie zu verhelfen“, sagt Gabriele Kirschke, Studienkoordinatorin und stellvertretende Leitung Pool Study Nurses der Pflegedirektion am UKB.

Zwölf Monate unterstützt die Behandlungsassistenz den Patienten bei der Problembewältigung. Dazu kommuniziert sie mit den Betroffenen und den behandelnden Ärzten, um individuelle psychische Stressbelastungen und Verhaltensweisen zu identifizieren, die das kardiovaskuläre Risiko erhöhen. Natürlich bleibt die Steuerung der Behandlung ganz in der Hand des niedergelassenen Kardiologen oder des Hausarztes. Die Behandlungsassistentinnen fördern aber herzgesundes Verhalten und helfen, es nachhaltig in den Alltag einzubinden. „Die Gespräche mit Frau Sailler sind ein Korrektiv. Es tut gut, sich selbst zu spiegeln“, sagt Lothar S. Er und Inge S. fühlen sich von Judith Sailler gut betreut und schätzen ihre Ratschläge. „Sie regt beispielsweise dazu an, eher auf das Fahrrad als in das das Auto zu steigen. Das sind Kleinigkeiten im Alltag, die einem so nicht auffallen, aber in der Summe einen großen Effekt haben“, sagt Lothar S. Kürzlich hat Inge S. mit Schwimmgymnastik angefangen: „Ich achte jetzt mehr auf mich, und die regelmäßigen Telefonate mit Frau Sailler geben mir Sicherheit.“

TEACH-Studie vom BMBF gefördert

Die Studie „Team-basierte Behandlung für psychisch belastete Patient*innen mit chronischer koronarer Herzkrankheit: Eine randomisiert-kontrollierte Studie (TEACH)“ unter Leitung der Universitätsmedizin Göttingen wird an sechs Studienorten durchgeführt. Am UKB sollen insgesamt 74 Patienten an der TEACH-Studie teilnehmen. Die Hälfte davon wird ambulant von der Behandlungsassistenz betreut. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) fördert das im April 2021 gestartete Forschungsprojekt für vier Jahre mit 2,37 Millionen Euro.

Die Studienleiterin am UKB Prof. Geiser ist überzeugt, dass mit diesem Konzept der Teufelskreis aus Herzkrankheit und psychischer Belastung durchbrochen werden kann. „Erste Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich mit einer behandlungsübergreifenden Patientenbegleitung der Gesundheitszustand der Bertoffenen durchaus verbessert. Auch mit Blick auf die Zunahme vaskulärer Erkrankungen ist es wünschenswert, dass die psychosomatische Behandlungsassistenz in die Regelversorgung aufgenommen wird.“

Zum Universitätsklinikum Bonn: Im UKB werden pro Jahr über 480.000 Patient*innen betreut, es sind 8.800 Mitarbeiter*innen beschäftigt und die Bilanzsumme beträgt 1,5 Mrd. Euro. Neben den über 3.300 Medizin- und Zahnmedizin-Studierenden werden pro Jahr weitere 580 Frauen und Männer in zahlreichen Gesundheitsberufen ausgebildet. Das UKB steht im Wissenschafts-Ranking auf Platz 1 unter den Universitätsklinika (UK) in NRW, weist den vierthöchsten Case Mix Index (Fallschweregrad) in Deutschland auf und hatte 2020 als einziges der 35 deutschen Universitätsklinika einen Leistungszuwachs und die einzige positive Jahresbilanz aller Universitätsklinika in NRW.