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Drei Jahre Corona-Pandemie am LMU Klinikum München

Von A wie Afrika bis Z wie Zugangsregelung

Exakt vor drei Jahren, am 27. Januar 2020, wurde der erste COVID-19-Fall in Deutschland publik. Dr. Camilla Rothe, stellvertretende Leiterin des Tropeninstituts am LMU Klinikum München, untersuchte damals den ersten Infizierten und wurde später für ihre Entdeckung, dass auch asymptomatische Übertragungen möglich sind, vielfach ausgezeichnet, letztens mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Ende Februar 2020 hat das LMU Klinikum München seinen ersten COVID-19-Patienten stationär aufgenommen. Seither sind über 6.000 COVID-19-Patientinnen und -Patienten vor allem in Großhadern behandelt worden und damit mehr als in jeden anderen Münchner Krankenhaus. Mit umfangreichen Forschungsprojekten, der Umstellung der ganzen Organisation und dem engagierten Einsatz aller Mitarbeitenden, war das LMU Klinikum München ein Leuchtturm bei der Bewältigung der Pandemie. Aktuell können die Kliniken wieder in gewohntem Umfang die Patientenversorgung leisten, und aufgeschobene Operationen und Eingriffe werden nachgeholt.

„Wir können jetzt Operationen nachholen, die im Dezember nicht möglich waren, weil uns das Personal fehlte“, sagt Prof. Dr. Markus M. Lerch, Ärztlicher Direktor des LMU Klinikums. „Insbesondere auf den Intensivstationen haben wir wieder mehr Kapazitäten, weil nur noch wenige Corona-Patienten dort behandelt werden müssen.“ Und auch die krankheitsbedingten Ausfälle beim Personal sind deutlich zurückgegangen. „Zu Spitzenzeiten im März und Oktober 2022 waren über 500 Mitarbeitende am LMU Klinikum aufgrund einer SARS-CoV2-Infektion krankgemeldet und mussten sich in Isolation begeben. Das hat uns an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gebracht“, erinnert sich Prof. Lerch. Auch wenn nun die gesetzlich vorgeschriebenen Hygienemaßnahmen sukzessive enden und der Übergang in ein endemisches Geschehen zu beobachten ist, gilt für Besucher des Klinikums weiterhin die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske und ein tagesaktueller, negativer Corona-Test zum Schutz von vulnerablen Patienten. Mitarbeitende müssen eine FFP2-Maske oder einen Mund-Nase-Schutz tragen.

Tropenmediziner untersuchen Virenausbreitung in Äthiopien

International beteiligte sich das LMU Klinikum an der SARS-CoV-2 Forschung u.a. in Afrika: In einer äthiopisch-deutschen Forschungskooperation untersuchte das Tropeninstitut am LMU Klinikum München von August 2020 bis April 2021 Blutproben von Gesundheitspersonal und städtischen und ländlichen Gemeinden auf Antikörper. Die im Fachmagazin The Lancet Global Health veröffentlichten Ergebnisse legten nahe, dass die tatsächliche COVID-19 Prävalenz wesentlich höher ist als bis dahin offiziell berichtete Zahlen. Das Forschungsteam empfahl daher eine Neuausrichtung der Impfstrategie für Afrika. „Diese ermöglicht es, Impfstoffe effektiver einzusetzen“, sagt Prof. Dr. Michael Hoelscher, Direktor des Tropeninstituts am LMU Klinikum. „So könnte zum Beispiel vor einer Impfung der Antikörperstatus ermittelt und gegebenenfalls nur eine Dosis als Auffrischung verimpft werden. Zudem ermöglicht dies einen gezielten Einsatz des Impfstoffes, insbesondere bei Risikogruppen und bei älteren Menschen.“

PCR-Tests in großer Zahl im LMU Klinikum

Seit Beginn der Pandemie im Jahr 2020 bis zum 22. Januar 2023 sind bei Mitarbeitenden des LMU Klinikums insgesamt mehr als 234.000 PCR-Tests über die Bayerische Teststrategie vom Institut für Laboratoriumsmedizin durchgeführt worden. Bei den Patientinnen und Patienten waren es im selben Zeitraum über 334.000 PCR-Tests, etwa bei der Aufnahme, vor operativen Eingriffen oder bei Verlegungen. „Insgesamt wurden im Institut für Laboratoriumsmedizin zwischen 2020 und Januar 2023 knapp 570.000 PCR-Tests durchgeführt“, sagt Prof. Dr. Daniel Teupser, Direktor des Instituts für Laboratoriumsmedizin. „Eine enorme Leistung, die nur durch einen Dauerbetrieb 24/7 und den unermüdlichen Einsatz der Mitarbeitenden unseres Instituts möglich war.“

COVID-19-Infektionen bei Kindern und Jugendlichen

„In der Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital wurden über den gesamten Zeitraum 299 mit SARS-CoV-2 infizierte Kinder und Jugendliche ambulant, 134 stationär behandelt“, sagt Prof. Dr. Johannes Hübner, Leiter der pädiatrischen Infektiologie der Kinderklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital. „16 junge Patientinnen und Patienten mussten auf der Intensivstation versorgt werden. Die meisten Kinder auf Intensivstation hatten schwere Vorerkrankungen, konnten aber wieder genesen nach Hause entlassen werden.“ Erfreulich: Kein Kind ist im Dr. von Haunerschen Kinderspital an bzw. mit Corona gestorben. Problematischer war die Situation in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie: die Schulschließungen, Kontaktbeschränkungen und Lockdownphasen belasteten Kinder und Jugendliche zum Teil schwer. „Für viele Kinder war das eine schwierige Situation. Ihnen fehlten die sozialen Kontakte, da ihr persönlicher Umgang mit anderen massiv eingeschränkt war“, erklärt Prof. Dr. Gerd Schulte-Körne, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des LMU Klinikums. „Vor der Pandemie und den Schutzmaßnahmen hatten sie durch Schule oder Kindergarten sowie Sportaktivitäten einen äußeren Taktgeber. Diese Strukturen sind dann weggefallen.“ Bei vielen hat diese belastende Zeit Spuren hinterlassen, die bis heute nachwirken. Deshalb fordert er: „Redet mit den Kindern und Jugendlichen, hört sie an und entscheidet nicht über ihre Köpfe hinweg.“

Zu den Langzeitfolgen

Neben der Behandlung von akuten COVID-19-Infektionen ist zunehmend das Post-COVID-Syndrom in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten: Manche Patientinnen und Patienten, die an COVID-19 erkrankten, leiden auch noch Monate nach der Infektion an körperlicher Schwäche, Erschöpfung und Konzentrationsstörungen. „Die 2021 gegründete, interdisziplinäre Post-COVID-Ambulanz am LMU Klinikum München hat bislang an beiden Standorten in Großhadern und Innenstadt über 1.000 Patientinnen und Patienten behandelt und erforscht die Langzeitfolgen und mögliche Ursachen“, sagt Dr. PD Kristina Adorjan von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, die gemeinsam mit Dr. Hans Christian Stubbe von der Medizinischen Klinik II die Ambulanz koordiniert. „Wegen der Vielzahl möglicher Symptome muss die Behandlung interdisziplinär erfolgen, d.h. es müssen verschiedene Fachdisziplinen einbezogen sein. Genau so haben wir unsere Post-COVID-Behandlungsstrategie für Patienten organisiert und auch unsere Forschungsaktivitäten zu Post-COVID ausgerichtet“, erklärt Prof. Lerch. Beteiligt an der Post-COVID-Ambulanz des LMU Klinikums sind die Kardiologie, Pneumologie, Neurologie, Infektiologie, Rheumatologie, die Physikalische Medizin, die Psychiatrie und Psychotherapie sowie die Schmerzambulanz. Finanziell unterstützt wurde der Aufbau der Post-COVID-Ambulanz vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege.

Regeln und Beschränkungen

Hygiene- und Besuchsregeln, Zugangskontrollen, Bettenbelegung – diese und viele weitere Themen wurden in mittlerweile 160 Sitzungen des Krisenstabs diskutiert und die jeweils erforderlichen Maßnahmen für das LMU Klinikum beschlossen. Unter der Leitung des Ärztlichen Direktors traf sich der Krisenstab, zusammengesetzt aus den wesentlichen Entscheidungsträgern in Medizin und Verwaltung, in der Hochphase zunächst täglich, später wöchentlich und er tritt bis heute in größeren zeitlichen Abständen zur Bewertung der Lage zusammen. Unterstützt wird der Krisenstab vom Pandemieboard, einem Gremium mit insgesamt sieben Arbeitsgruppen. Hier erarbeiten die Spezialisten die fachlichen Details für Handlungskonzepte und Prozesse, die anschließend dem Krisenstab zur Entscheidung vorgelegt werden. Ein großes Thema war z.B. der Aufbau und Betrieb des Impfzentrums für die Mitarbeitenden. Ende Dezember 2020 konnten die ersten Impfdosen verabreicht werden. Rund 40.000 waren es mit Erst-, Zweit- und Auffrischungsimpfungen bis zur Einstellung des Impfzentrums im Frühjahr 2022. Die Impfquote bei der Belegschaft liegt bei rund 95 Prozent. Inzwischen hat der Betriebsärztliche Dienst die Impfung der Mitarbeitenden übernommen.

Forschung

Besondere Aufmerksamkeit erhielt im Jahr 2022 die Entwicklung eines Nasensprays zur Immunisierung gegen das SARS-CoV2-Virus. Statt einer Corona-Schutzimpfung mittels einer Spritze soll künftig ein Spray für die Nase denselben Effekt haben. Das Projekt namens „Zell-Trans“ führt ein Team um Prof. Joseph Rosenecker von der Kinderklinik am Dr. von Haunerschen Kinderspital durch und wird vom Bundesforschungsministerium mit 1,7 Millionen Euro gefördert. Bis zu einer möglichen Anwendung sind aber noch einige Jahre Forschungsarbeit zu leisten.

Bei der Verbundforschung im Rahmen des Netzwerks Universitätsmedizin (NUM) waren und sind das LMU Klinikum und die Medizinische Fakultät insgesamt in rund 250 Projekten mit COVID-19-Fokus involviert. Inzwischen sind die zwölf Projekte der ersten Förderphase abgeschlossen oder sind in neue Projekte übergegangen. Seit Beginn der Corona-Pandemie veröffentlichten die Wissenschaftler:innen der Medizinischen Fakultät und des Klinikums der LMU 740 Publikationen zum Thema COVID-19. Nähere Informationen zur zweiten Förderphase sind im Internet zu finden unter Netzwerk Universitätsmedizin | 2. Förderphase (lmu-klinikum.de)

Zahlen und Fakten

Insgesamt wurden 6.014 COVID-19-Patienten seit der Aufnahme des ersten Patienten Ende Februar 2020 bis Mitte Januar 2023 behandelt. Nicht gezählt werden hier die z.B. in der Notaufnahme gesehenen und positiv getesteten Patienten, die nach einer Erstversorgung wieder nach Hause entlassen worden sind. Männer waren mit 54 % etwas häufiger unter den Patienten vertreten als Frauen. 935 Patienten (16 %) mussten auf Intensivstationen behandelt werden, 231 verstarben. Insgesamt verstarben am LMU Klinikum 471 von 6.014 Patienten (Stand: 16.01.2023).

Eine umfangreiche Dokumentation zur Corona-Pandemie am LMU Klinikum im ersten Jahr (2020) bietet das Heft „Pandemie“ aus der Reihe Leitgedanken & Perspektiven.