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Welt-Parkinson-Tag: Mit Tanzen der chronischen Nervenerkrankung trotzen

Fragen an…Priv.-Doz. Dr. Monika Pötter-Nerger

Die Klinik und Poliklinik für Neurologie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) ist zertifizierte Fachklinik für die Behandlung einer der häufigsten chronischen Erkrankungen des Nervensystems: Parkinson. Allein in Deutschland leiden nach aktuellen Schätzungen bis zu 400.000 Betroffene daran. Anlässlich des Welt-Parkinson-Tages am 11. April erläutert Priv.-Doz. Dr. Monika Pötter-Nerger, Leiterin der Arbeitsgruppe Bewegungsstörungen und Tiefe Hirnstimulation, Klinik und Poliklinik für Neurologie, wie die Parkinsonbehandlung aussieht und warum die Tanztherapie ein fester Bestand-teil darin ist.

Wie äußert sich die Parkinson-Erkrankung?

Priv.-Doz. Dr. Monika Pötter-Nerger: Parkinson ist der Überbegriff für neurodegenerative Erkrankungen, die durch eine krankhafte Zellalterung in bestimmten Gehirnarealen gekennzeichnet ist. Einhergehend kommt es zu einem Mangel an Dopamin, das im Zusammenspiel mit anderen Botenstoffen an der Bewegungssteuerung beteiligt ist. Durch die verminderte Dopaminausschüttung in tiefliegenden Hirnkernen, den Basalganglien, kommt es infolge dessen zu einer Symptomatik wie Bewegungsarmut, Zittern, Muskelsteifigkeit sowie Gang- und Gleichgewichtsstörungen. Die Erkrankung tritt gehäuft zwischen dem 60. und 70. Lebensjahr auf, sie kann jedoch auch jüngere Menschen betreffen.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es?

Priv.-Doz. Dr. Monika Pötter-Nerger: Die Erkrankung ist nicht heilbar, sie kann aber durch die passende Therapie, die sich immer am Krankheitsstadium der Patient:innen orientiert, gut gelindert werden. Unsere Behandlung ist multimodal angelegt und umfasst neben Medikamenten, die den Dopaminmangel kompensieren, auch Physiotherapie, Tanztherapie, Logopädie und Ergotherapie. Aber auch eine Umstellung der Ernährung sowie eine psycho- oder neuropsychologische Therapie können sinnvoll sein. Betroffenen mit fortgeschrittener Erkrankung können wir mit einem operativen Verfahren, der sogenannten Tiefen Hirnstimulation (THS), helfen. Hier werden zwei hauchdünne Elektroden in tiefliegende Hirnareale eingesetzt, über die kontrolliert schwache, elektrische Strompulse abgegeben werden- also eine Art „Hirnschrittmacher“. Diese seit etwa 30 Jahren bestehende Therapie führt zu einer Linderung der motorischen Symptome der Parkinsonerkrankung.

Sie setzten bei den Patient:innen mit Parkinson besonders auf die Bewegungstherapie, warum?

Priv.-Doz. Dr. Pötter-Nerger: Die Bewegungstherapie stellt neben der Medikation einen ganz maßgeblichen Baustein in der Behandlung dar, da sie wesentlich zur Verbesserung der Beweglichkeit, Bewegungskoordination, Gangleistung und Gleichgewicht beiträgt. Das kann durch eine speziell abgestimmte Physiotherapie, aber auch durch Tanzen erreicht werden. Bei vielen Patient:innen werden mit fortschreitender Krankheit die Schritte immer kleiner und unsicherer. Der Gleichgewichtssinn macht nicht mehr so mit, und die Sturzgefahr der Patient:innen ist groß. Die flüssigen Bewegungen beim Tanzen können all diesen Problemen entgegenwirken. Auf spielerische Weise kann beim Tanzen beispielsweise das Rückwärtslaufen oder durch das Halten der Partner:in das Gleichgewicht geschult werden.

Viele Patient:innen leiden unter dem Symptom der „eingefrorenen“ Bewegungen, dem sogenannten „Freezing“. Welche positiven Effekte hat das Tanzen darauf?

Priv.-Doz. Dr. Pötter-Nerger: Neben dem Training der allgemeinen Beweglichkeit kann die Tanztherapie erstaunliche Effekte auf das „Freezing“ haben. Die Patient:innen mit Parkinson fühlen sich in den Freezing-Episoden so, als ob die Füße wie am Boden „festgeklebt“ oder „eingefroren“ sind, sie sind kaum noch in der Lage, sich vorwärts zu bewegen. Diese Blockaden treten häufig im fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung bei rund 60 bis 80 Prozent aller Patient:innen auf. Sie sind mit den klassischen Medikamenten häufig nicht ausreichend behandelbar. Wir wissen aus der Forschung, dass Freezing-Episoden durch akustische Trigger wie rhythmisches Händeklatschen durchbrochen werden können. Auch hier kann die Musik beim Tanzen helfen, da sie als externer Trigger wirkt und diese Blockaden lösen kann. Darüber hinaus wird angenommen, dass die Musik Botenstoffe wie Serotonin und Dopamin freisetzen kann, die über Aktivierung subkortikaler Areale die Bewegungssteuerung und die motorischen Blockaden verbessern können.

Das heißt, Tanzen steigert auch die Lebensqualität der Betroffenen?

Priv.-Doz. Dr. Pötter-Nerger: Ja, ganz sicher. Denn das Tanzen trägt nicht nur zu einer besseren Beweglichkeit bei, sondern durch die soziale Interaktion und damit verbundene Freude kann auch die Psyche wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Viele Patient:innen mit Parkinson sehen sich täglich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert, die sie oft nur schwerlich bewältigen können. Nicht selten leiden sie unter Depressionen. Tanzen kann ihnen helfen, die Sicht auf ihre Erkrankung zu verändern, ihre Motivation, sich zu bewegen steigern und ihr Leben insgesamt wieder positiver anzugehen.

Die Klinik für Neurologie ist seit kurzem als Parkinson Fachklinik von der Deutschen Parkinson Vereinigung zertifiziert worden, welche Vorteile bringt das für die Patient:innen?

Priv.-Doz. Dr. Pötter-Nerger: Das UKE ist das erste Universitätsklinikum in Deutschland, das als Parkinson Fachklinik ausgezeichnet wurde, da wir uns mit einem multizentrischen Team fachübergreifend um dieses Krankheitsbild kümmern. Wir decken im UKE nicht nur die akute Behandlung dieser chronischen Erkrankung ab, sondern schaffen durch integrative Konzepte eine langfristige Versorgung der Patient:innen. Der Vorteil für die Betroffenen ist, dass wir ein komplexes ganzheitliches Therapiekonzept nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen individuell auf sie abstimmen. Dieses passen wir dem wechselnden klinischen Bild der Patient:innen stetig an und berücksichtigen dabei ihre zusätzlichen Begleiterkrankungen. Ebenso beziehen wir die persönliche Lebenssituation wie auch die Angehörigen in die Therapie mit ein.