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„Split-Brain“-Studie: Schon wenige Nervenfasern ermöglichen Kommunikation beider Hirnhälften

Neue Forschungsergebnisse von Teams aus Köln, Bielefeld und den USA stellen klassische Annahmen über Struktur-Funktions-Beziehungen des menschlichen Gehirns infrage.

Schon wenige Nervenfasern genügen, damit die beiden Hirnhälften miteinander kommunizieren können: Das zeigt eine neue internationale Studie unter Leitung von Prof. Dr. Michael Miller (University of California, Santa Barbara) und Univ.-Prof. Dr. Lukas J. Volz (Klinik für Neurologie der Uniklinik Köln und Medizinische Fakultät der Universität zu Köln) in enger Zusammenarbeit mit dem Team von Prof. Dr. Christian Bien am Epilepsiezentrum Bethel (Universitätsklinikum OWL der Universität Bielefeld). Die Ergebnisse, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), unterstreichen die erstaunliche Fähigkeit des menschlichen Gehirns zur Reorganisation – selbst wenn die wichtigste Verbindung zwischen den Hemisphären, das Corpus callosum, teilweise durchtrennt ist.

Bislang galt: Eine Schädigung des Corpus callosum – das größte Faserbündel des Gehirns – führt zu Störungen in Sprache, Motorik oder Wahrnehmung. Doch die neue Studie mit sogenannten „Split-Brain“-Patientinnen und -Patienten zeigt: Schon der Erhalt von etwa einem Zentimeter der Nervenfasern des Corpus Callosum reicht aus, um den Informationsaustausch zwischen beiden Gehirnhälften weitgehend aufrechtzuerhalten – und neurologische Symptome zu verhindern.

Mithilfe funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) untersuchte das Forschungsteam, wie sich eine teilweise oder vollständige Durchtrennung des Corpus callosum auf die neuronale Synchronisation auswirkt. Während eine komplette Durchtrennung den Austausch zwischen den Hemisphären weitgehend unterband, blieb bei Patientinnen und Patienten mit kleinen Restverbindungen die Kommunikation fast normal.

Diese Ergebnisse stellen klassische Annahmen über Struktur-Funktions-Beziehungen des menschlichen Gehirns infrage. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die immense Anpassungsfähigkeit der funktionellen Architektur des menschlichen Gehirns“, erklärt Prof. Volz. „Selbst wenige Fasern zwischen den Hirnhälften reichen offenbar aus, um eine komplexe Netzwerkarchitektur zu erhalten.“

Die Erkenntnisse liefern wichtige Impulse für die Rehabilitationsforschung nach Hirnverletzungen. Mit gezielten Therapieansätzen soll die Anpassungsfähigkeit des Gehirns genutzt werden, um geschädigte Netzwerke erfolgreich zu reorganisieren.

Die Studie entstand in enger Zusammenarbeit zwischen der Uniklinik Köln und der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln, dem Epilepsiezentrum Bethel (Universitätsklinikum OWL, Universität Bielefeld), der University of California, Santa Barbara, und der Indiana University Bloomington. Das Kölner Team wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereichs 1451 „Schlüsselmechanismen normaler und krankheitsbedingt gestörter motorischer Kontrolle“ gefördert.

Originalpublikation:

Link: https://doi.org/10.1073/pnas.2520190122