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Wie Mini-Tumore im Labor helfen könnten, Darmkrebs gezielter zu behandeln
Eine Studie der Universitätsmedizin Magdeburg identifiziert möglichen Biomarker für personalisierte Therapie von Darmkrebs.
Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Universitätsmedizin Magdeburg hat neue Erkenntnisse gewonnen, wie Darmkrebs künftig individueller behandelt werden kann. In ihrer aktuellen Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Molecular Oncology, zeigen die Forschenden, dass Mini-Tumore aus Gewebe von Patientinnen und Patienten – sogenannte Organoide – genutzt werden können, um vorab zu prüfen, welche Medikamente am besten wirken. Dabei wurde ein Eiweiß identifiziert, das künftig als Biomarker für die Wahl der passenden Therapie dienen könnte.
Darmkrebs zählt weltweit zu den häufigsten Krebsarten und stellt insbesondere in fortgeschrittenen Stadien eine große Herausforderung für die Behandlung dar. Um die Therapie passgenauer auszuwählen, setzte das Forschungsteam auf Organoide: winzige, im Labor gezüchtete Tumore, die das Originalgewebe präzise nachbilden. Sie erlauben es, Medikamente direkt an Tumor- und Normalgewebe zu testen, ohne Patientinnen und Patienten unnötig zu belasten.
In der aktuellen Untersuchung analysierten die Forschenden Gewebeproben von 32 Patientinnen und Patienten mit Darmkrebs. Besonders im Fokus stand das Eiweiß xCT, das zentrale Stoffwechselprozesse in Krebszellen steuert und für deren Wachstum wichtig ist. Die Ergebnisse zeigten: Tumore mit hoher xCT-Aktivität sprechen deutlich besser auf bestimmte Chemotherapien an. Damit könnte xCT künftig als Biomarker dienen, um vor Beginn der Behandlung die Erfolgsaussichten bestimmter Therapien einzuschätzen. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass wir genauer vorhersagen können, welche Therapie bei welchem Tumor am besten wirkt“, erklärt Prof. Dr. Ulf Kahlert, Leiter der Studie und Professor für Molekulare und Experimentelle Chirurgie an der Klinik für Allgemein- Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie an der Medizinischen Fakultät der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. „Wer hohe xCT-Werte im Tumor aufweist, könnte womöglich von einer gezielten Kombinationstherapie profitieren. Personen mit niedrigen Werten könnten unnötige Nebenwirkungen vermeiden.“
Die Ergebnisse zeigen, dass patientenspezifische Organoide wertvolle Einblicke in das Ansprechen von Tumoren auf verschiedene Medikamente liefern können. Damit eröffnen sich perspektivisch neue Möglichkeiten, Behandlungen individueller abzustimmen. „Die Ergebnisse sind wissenschaftlich sehr vielversprechend, aber wir stehen hier noch am Anfang“, betont Prof. Dr. Roland Croner, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Transplantationschirurgie. „Bis solche Erkenntnisse tatsächlich in die klinische Anwendung gelangen, sind noch weitere Studien notwendig, um die Ergebnisse an größeren Gruppen zu bestätigen und langfristig sichere Behandlungsmöglichkeiten in die klinische Praxis zu übertragen.“ Im zertifizierten Darmkrebszentrum (DKG) der Klinik wird derzeit eine klinische Beobachtungsstudie vorbereitet, in der unter standardisierten Bedingungen für eingeschlossene Patientinnen und Patienten ein patientenbasiertes Zellmodell etabliert wird. Anschließend werden die Zellen mit demselben medikamentösen Therapieregime behandelt, das auch im klinischen Protokoll angewendet wird. Ziel der Studie ist es, eine möglichst hohe Korrelation zwischen dem Ansprechen der Zellen in vitro und dem klinischen Verlauf der jeweiligen Patientinnen und Patienten nachzuweisen um in Zukunft die Organoid-Methode als verlässliches Diagnostikum voranzutreiben.
Zudem wollen die Forschenden untersuchen, welche Rolle xCT bei der Vernetzung von Tumoren mit dem Nervensystem des Darms spielt. Prof. Kahlert sagt: „Besonders hervorheben möchte ich dabei, dass die enge Zusammenarbeit zwischen Chirurginnen und Chirurgen, OP-Pflegekräften und unserem Nasslab-Forschungsteam entscheidend war, um diese Organoid-Pipeline überhaupt möglich zu machen.“
Vorangetrieben wurde die Arbeit zudem durch die Forschung des Magdeburger Medizinstudenten Marco Strecker, der die Studie von der Probenentnahme bis zur Auswertung begleitete. Für seine Arbeit erhielt er ein einjähriges Promotionsstipendium der Universität Magdeburg sowie einen Preis für den ersten Platz der Kategorie Medizinische Forschung der diesjährigen ResearchDays. „Der frühzeitige Einbezug junger Talente ist uns ein besonderes Anliegen. Er stärkt die Ausbildung und bringt wichtige Impulse für die Forschung“, betont Prof. Kahlert.
An der Studie beteiligt waren neben der Universitätsmedizin Magdeburg, der Hebräischen Universität Jerusalem, Israel – Department of Biological Chemistry und Hadassah-Hebrew University Medical Center auch das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen Dresden (NCT/UCC) und Universitätsklinikum Dresden. Darüber hinaus baut das Team in Magdeburg eine Forschungsplattform für patientenstämmige Tumororganoide auf, die regionale und internationale Kooperationen ermöglicht, unter anderem mit der Universitätsmedizin Halle und europäischen Forschungsnetzwerken. „Organoide gelten dabei nicht nur als klinisch relevante Testsysteme, sondern auch als Schlüsseltechnologie, die dazu beitragen kann, Tierversuche in der biomedizinischen Forschung zu verringern“, unterstreicht Prof. Kahlert.
Gefördert wurde die Forschung unter anderem durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) im Rahmen der Initiative Sachsen-Anhalt WISSENSCHAFT Schwerpunkte. Zusätzlich wurde dieses Projekt durch die Clore Foundation unterstützt.
Originalpublikation
Patient-specific pharmacogenomics demonstrates xCT aspredictive therapeutic target in colon cancer with possibleimplications in tumor connectivity, 24 September 2025, in: Molecular Oncology; DOI: https://doi.org/10.1002/1878-0261.70129