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Neues Foundation-Modell zeigt Organisation von Zellen im Gewebe
AINew Research FindingsComputational HealthICB
Forschende von Helmholtz Munich und der Technischen Universität München (TUM) haben Nicheformer entwickelt: das erste groß angelegte Foundation-Modell, das Einzelzellanalysen mit räumlicher Transkriptomik verbindet. Trainiert an mehr als 110 Millionen Zellen, eröffnet es einen neuen Ansatz, um zu untersuchen, wie Zellen im Gewebe organisiert sind und miteinander interagieren – ein Wissen, das für das Verständnis von Gesundheit und Krankheit entscheidend ist.
Fehlender Kontext in Einzelzelldaten
Die Einzelzell-RNA-Sequenzierung hat die Biologie revolutioniert, da sie zeigt, welche Gene in einzelnen Zellen aktiv sind. Allerdings werden die Zellen dafür aus ihrer natürlichen Umgebung entfernt, wodurch Informationen über ihre Position und benachbarte Zellen verloren gehen. Die räumliche Transkriptomik bewahrt diesen Kontext, ist jedoch technisch begrenzter und schwerer skalierbar. Lange fehlte Forschenden eine Methode, um Zellidentität und Gewebeorganisation gleichzeitig zu analysieren.
KI-Modell macht verborgene Gewebestrukturen sichtbar
Nicheformer überwindet bisherige Grenzen, indem es sowohl aus isolierten als auch aus räumlichen Daten lernt. Das Modell kann räumliche Informationen auf zuvor isoliert untersuchte Zellen übertragen und rekonstruiert so, wie sie in das Gesamtgefüge eines Gewebes eingebunden sind. Um dies zu ermöglichen, entwickelte das Forschungsteam „SpatialCorpus-110M“, eine der bislang größten kuratierten Sammlungen von Einzelzell- und räumlichen Daten. In der in Nature Methods veröffentlichten Studie übertraf Nicheformer bestehende Methoden in seiner Leistungsfähigkeit und zeigte, dass räumliche Muster selbst in dissoziierten Zellen messbare Spuren in der Genexpression hinterlassen. Darüber hinaus untersuchten die Forschenden die Interpretierbarkeit des Modells und zeigten, dass es biologisch relevante Muster in seinen internen Schichten erkennt – ein Ansatz, der neue Einblicke darin liefert, wie Künstliche Intelligenz (KI) biologische Daten verarbeitet.
„Mit Nicheformer können wir nun räumliche Informationen großflächig auf dissoziierte Einzelzelldaten übertragen“, erklärt Alejandro Tejada-Lapuerta, Doktorand bei Helmholtz Munich und der TUM und Co-Erstautor der Studie gemeinsam mit Anna Schaar. „Das eröffnet völlig neue Möglichkeiten, Gewebeorganisation und zelluläre Umgebung zu erforschen, ohne zusätzliche Experimente durchführen zu müssen.“
Die Studie knüpft an das aufstrebende Konzept der „Virtuellen Zelle“ an – einer computergestützten Darstellung, die beschreibt, wie Zellen sich in ihrem natürlichen Umfeld verhalten und miteinander interagieren. Während dieser Ansatz in Biologie und KI zunehmend an Bedeutung gewinnt, haben frühere Modelle Zellen meist als isolierte Einheiten betrachtet, ohne ihre räumlichen Beziehungen zu berücksichtigen. Nicheformer ist das erste Foundation-Modell, das direkt aus der räumlichen Organisation lernt und so nachvollziehbar macht, wie Zellen ihre Umgebung wahrnehmen und beeinflussen. Darüber hinaus präsentieren die Forschenden eine umfassende Reihe räumlicher Benchmarking-Aufgaben, die künftige Modelle dazu anregen, Gewebearchitektur und kollektives Zellverhalten präzise abzubilden – ein entscheidender Schritt hin zu biologisch realistischen KI-Systemen.
Info-Box: Einzelzellanalyse vs. räumliche Transkriptomik
Einzelzellanalyse: Misst das molekulare Profil (z. B. Genaktivität) einzelner Zellen, die jedoch außerhalb ihres ursprünglichen Gewebekontexts untersucht werden.
Räumliche Transkriptomik: Misst die Genaktivität direkt in Gewebeschnitten und bewahrt dabei die räumliche Anordnung der Zellen.
Nicheformer: Kombiniert beide Ansätze und überträgt den räumlichen Kontext zurück auf dissoziierte Einzelzelldaten.
Nächste Schritte
„Mit Nicheformer machen wir die ersten Schritte hin zur Entwicklung von universell einsetzbaren KI-Modellen, die Zellen in ihrem natürlichen Kontext abbilden – der Grundlage für virtuelle Zell- und Gewebemodelle“, sagt Prof. Fabian Theis, Direktor des Computational Health Centers bei Helmholtz Munich und Professor an der TUM. „Solche Modelle könnten die Erforschung von Gesundheit und Krankheit grundlegend verändern und langfristig die Entwicklung neuer Therapien unterstützen.“
In ihrem nächsten Projekt plant das Team die Entwicklung eines „Gewebe-Foundation-Modells“ (Tissue Foundation Model), das zusätzlich die physischen Beziehungen zwischen Zellen berücksichtigt. Ein solches Modell könnte helfen, Tumor-Mikroumgebungen und andere komplexe Strukturen im Körper zu analysieren – mit direkter Relevanz für Krankheiten wie Krebs, Diabetes und chronische Entzündungen.
Original-Publikation
Tejada-Lapuerta et al., 2025: Nicheformer: a foundation model for single-cell and spatial omics. Nature Methods. DOI: 10.1038/s41592-025-02814-z.
 
						 
						 
						
						
					 
							 
						 
					 
						