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DGE zum KHAG: Drohende Versorgungslücke in der Endokrinologie
KOMMENTAR
Patient*innen mit komplexen hormonellen und Stoffwechselerkrankungen können in Krankenhäusern nur dann angemessen versorgt werden, wenn spezialisierte endokrinologische Expertise strukturell verankert ist. Laut des aktuellen Entwurfs des Krankenhausanpassungsgesetzes (KHAG) schreibt die Leistungsgruppe 2 „Komplexe Endokrinologie und Diabetologie“ jedoch keine Expertise von Fachärzt*innen für Endokrinologie und Diabetologie mehr vor. Stattdessen soll – anders als im ursprünglichen Gesetzentwurf – bereits ein*e Ärzt*in mit einer Zusatzweiterbildung für Diabetologie ausreichend sein und den dreijährigen Facharztstandard für Endokrinologie und Diabetologie ersetzen können. Der Gesetzentwurf verfehlt damit seine eigentliche Intention, eine qualitativ hochwertige fachärztliche Versorgung sicherzustellen.
Die Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) fordert daher, dass die entsprechende Leistungsgruppe laut KHAG zwingend die fachärztliche endokrinologisch-diabetologische Expertise fest vorschreibt, wie dies bereits in Nordrhein-Westphalen erfolgt und auch in allen anderen internistischen Schwerpunktfächern vorgesehen ist. Andernfalls ist die Versorgung von komplexen endokrinen und diabetologischen Diagnosen und Versorgung von Patient*innen in höchstem Maße gefährdet.
Prof. Dr. Jan Tuckermann, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), und Prof. Dr. Nicole Reisch, Vizepräsidentin der DGE, äußern sich zum Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG):
Professor Dr. rer. nat. Jan Tuckermann, DGE-Präsident und Leiter des Instituts für Molekulare Endokrinologie und Physiologie an der Universität Ulm:
„Erkrankungen des Hormon- und Stoffwechselsystems erfordern eine differenzierte Diagnostik und Therapie. Es ist daher richtig, dass sich die Leistungsgruppe 2 an der Verfügbarkeit der Fachärzt*innen für Innere Medizin ausrichtet – allerdings muss bei der Zusammensetzung der Leistungsgruppe „Komplexe Endokrinologie und Diabetologie“ zwingend die Expertise für Endokrinologie und Diabetologie vorgesehen werden. So, wie die Personalsituation aktuell in der Leistungsgruppe gestaltet ist, deckt sie nicht den Bedarf an endokrinologischer Versorgung. Am Ende der Krankenhausreform muss sichergestellt sein, dass Patient*innen mit komplexen endokrinen Erkrankungen von Ärzt*innen behandelt werden, die dafür speziell ausgebildet sind.“
Professorin Dr. med. Nicole Reisch, DGE-Vizepräsidentin und Direktorin der Medizinischen Klinik und Poliklinik IV an der LMU München:
„In der Versorgungspraxis ist die spezielle Expertise von Fachärzt*innen für Endokrinologie/Diabetologie an vielen Stellen entscheidend – auch über unser Fachgebiet hinaus. Denn neben Diabetes, Störungen der Schilddrüse, des Knochenstoffwechsels, Hypophysen- oder Nebennierenerkrankungen behandeln wir zum Beispiel auch vermehrt langfristige Nebenwirkungen onkologischer Therapien. Schließlich entwickelt jede zweite Person, die eine Krebserkrankung im Kindesalter überlebt, im Laufe des Lebens eine endokrine Störung. Moderne Immuntherapien für Krebs führen häufig zu akut lebensbedrohlichen endokrinen Erkrankungen als Nebenwirkung. Ein plötzlicher Ausfall der Nebennierenhormone wie Cortisol können tödlich enden. Solche komplexen Krankheitsbilder können nur durch entsprechend weitergebildete Fachärzt*innen für Endokrinologie und Diabetologie adäquat betreut werden. Um dies sicherzustellen, muss die Endokrinologie im KHAG strukturell gesichert werden – sowohl hinsichtlich der Vorgaben für Fachärzt*innen als auch durch die Sicherstellung der Weiterbildung.“
Endokrinologie als unverzichtbarer Bestandteil der Inneren Medizin
Die Behandlung von Störungen der Schilddrüse, des Knochenstoffwechsels oder seltenen Hypophysen- oder Nebennierenerkrankungen erfordern besonderes endokrinologisches Fachwissen. Dabei ist die Zahl spezialisierter Zentren und Fachärzt*innen begrenzt: Aktuell gibt es in Deutschland 149 Krankenhäuser mit endokrinologischer Expertise und hauptamtlich 270 Fachärzt*innen für Endokrinologie/Diabetologie in der stationären Versorgung. Rund 28 Prozent der derzeit tätigen Fachärzt*innen Endokrinologie/Diabetologie sind älter als 60 Jahre und werden in den kommenden Jahren in den Ruhestand gehen. Es muss daher einerseits das Ziel der Krankenhausreform sein, eine qualitativ hochwertige Patientenversorgung auf Facharztniveau sicherzustellen, andererseits die strukturellen Voraussetzungen zu schaffen, um die Weiterbildung von Fachärzt*innen zu fördern und den steigenden Bedarf langfristig decken zu können.
Über die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE):
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) ist mit rund 1.600 Mitgliedern eine der größten wissenschaftlichen Fachgesellschaften für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen in Europa. Seit ihrer Gründung 1953 fördert die DGE sowohl die Grundlagenforschung als auch die klinische Forschung und Patientenversorgung, unter anderem zu Osteoporose, Adipositas, Diabetes mellitus, Fertilitätsstörungen sowie Erkrankungen der Schilddrüse, Hypophyse und Nebenniere. Darüber hinaus engagiert sich die DGE aktiv im interdisziplinären Wissensaustausch und in der öffentlichen Aufklärung. Weitere Informationen unter www.endokrinologie.net