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Schadstoffe in Weihnachtsgeschenken: DGE warnt vor hormonaktiven Substanzen in Spielzeug
Altdorf – Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e. V. (DGE) warnt angesichts des bevorstehenden Weihnachtsfests vor hormonaktiven Substanzen in Kinderspielzeug. Viele beliebte Produkte – von Plastikspielzeug über Kuscheltiere bis zu elektronischen Geräten – können Stoffe enthalten, die das Hormonsystem beeinflussen. Gerade Kleinkinder sind durch häufigen Hautkontakt und das typische „in-den-Mund-nehmen“ besonders gefährdet. Die DGE ruft deshalb dazu auf, beim Geschenkekauf genauer hinzuschauen, um potenziell belastete Materialien zu vermeiden.
Endokrine Disruptoren (EDC) sind Substanzen, die schon in kleinen Mengen die Funktion von Hormonen beeinflussen können. Dazu zählen etwa Phthalate, Bisphenole, bromierte Flammschutzmittel, PFAS, Schwermetalle oder Pestizid-Rückstände. Viele dieser Substanzen finden sich in Kunststoffen, Lacken, Beschichtungen oder Textilien und wurden wiederholt auch in Kinderspielzeug und anderen Alltagsprodukten nachgewiesen.
„Diese Stoffgruppen können selbst in sehr kleinen Mengen die körpereigenen Hormonsignale stören. Das betrifft insbesondere Kinder, deren Haut- und Schleimhautbarrieren noch nicht ausgereift sind“, erklärt Seniorprofessor Dr. rer. nat. Josef Köhrle vom Institut für Experimentelle Endokrinologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Dies könne dann zu Problemen in Bezug auf Wachstum, Stoffwechsel, Entwicklung und Fruchtbarkeit führen. „Kinder nehmen Spielzeug ständig in die Hand und in den Mund – und genau das erhöht ihre Belastung mit hormonaktiven Substanzen erheblich.“
Alltagsprodukte als versteckte Quelle hormonaktiver Stoffe
Belastete Produkte können an vielen Stellen des Kinderalltags auftreten. Spielzeug aus Kunststoff, Babyartikel, Schaumstoffwaren wie Spielmatten oder Sitzwürfel, elektronisches Spielzeug, Kleidung, Decken und andere textile Produkte können entsprechende Substanzen enthalten. Gleiches gilt für ältere Kunststoffe aus zweiter Hand, die teils noch mit Stoffen belastet sind, die in der EU heute schon lange verboten sind. Die Belastung beginne bereits im Mutterleib, setze sich über die Muttermilch, die Nahrung und früh eingesetzte Pflegeprodukte fort und werde durch belastetes Spielzeug zusätzlich verstärkt, so Köhrle.
Der Endokrinologe warnt insbesondere vor günstigen Importwaren, die vor allem über große Online-Marktplätze verbreitet werden: „Wir sehen, dass besonders preiswerte Produkte aus dem Internet wiederholt durch hohe Schadstoffgehalte aufgefallen sind.“
Spielzeug-Hype zu Weihnachten
Rund um Weihnachten kommen zu den bereits vorhandenen Belastungsquellen zusätzlich große Mengen neuer Spielwaren in die Haushalte. Gleichzeitig steigt das Angebot an Billigartikeln, die ohne strenge Kontrollen in den Handel gelangen. Europäische und internationale Recherchen zeigen, dass Produkte immer wieder wegen zu hoher Schadstoffgehalte zurückgerufen werden. Für Eltern ist auf den ersten Blick kaum nachvollziehbar, ob ein bestimmtes Produkt unbedenklich ist oder nicht. Köhrle plädiert daher für konsequente politische Maßnahmen: „Wir brauchen deshalb dringend die Umsetzung der EU-Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit (CSS) von 2020 durch unsere verantwortlichen deutschen Behörden. Danach werden hormonaktive Stoffe genauso streng bewertet wie bereits zuvor krebserregende oder erbgutschädigende Substanzen und dürfen deshalb nicht mehr in den Verkehr gebracht werden, schon gar nicht in Kinderspielzeug. Gesundheit muss immer an erster Stelle stehen.“
Die DGE empfiehlt, beim Geschenkekauf auf hochwertige und geprüfte Produkte zu achten, aufdringlich riechende Waren zu meiden und alte Kunststoffartikel möglichst nicht weiterzugeben. Wo möglich, sollten neue Spielzeuge vor dem ersten Gebrauch ausgelüftet und waschbare Produkte gereinigt werden. Wichtig sei zudem ein kritischer Blick auf No-Name-Produkte aus Online-Shops sowie – im Zweifel – ein Blick in die europäischen und nationalen Rückrufdatenbanken.
Bewusste Kaufentscheidungen ersetzen keine Regulierung
„Eltern allein können das Problem nicht lösen“, fasst Köhrle zusammen. „Aber jede bewusste Kaufentscheidung und jeder kritische Blick auf vermeintliche Schnäppchen hilft, die Belastung für die Kinder zu senken. Langfristig brauchen wir jedoch klare Vorgaben und strenge Kontrollen, damit nur solche Produkte überhaupt in den Handel kommen, die keine vermeidbaren gesundheitlichen Risiken mit sich bringen.“
Was sollten Eltern beim Spielzeugkauf beachten?
- Solide, hochwertige Produkte– gut verarbeitete Spielwaren seriöser Hersteller und Händler sind meist weniger belastet.
- Vorsicht bei starkem Geruch – riecht ein Kunststoffspielzeug stechend oder chemisch, besser liegen lassen.
- Neue Spielzeuge auslüften – ein paar Tage an der frischen Luft reduzieren mögliche Rückstände aus der Produktion.
- Waschbares vorab reinigen – Stofftiere, Textilien und Kostüme einmal waschen, bevor sie verschenkt werden.
- Alte Kunststoffartikel meiden – insbesondere Second-Hand-Kunststoffe in altem Spielzeug können heute verbotene Stoffe enthalten.
- Billigimporte kritisch prüfen – No-Name-Produkte großer Online-Marktplätze sind besonders häufig auffällig.
- Rückruflisten nutzen – bei Unsicherheit in europäischen oder nationalen Warn- und Rückrufdatenbanken nachsehen.
Quellen:
- ECHA/NR/24/28 Hazardous chemicals found in cosmetic products.
- Green Baby: Playing Safe: Toxic Chemicals in Toys; Briefing May 2025, WEN Green Baby Campaign. 2025 (UK).
- New rules for safer toys in the EU. European Commission. 11th April 2025.
- Rigutto G et al. Identifying Potential Chemicals of Concern in Children’s Products in a Regulatory Context: A Systematic Evidence Mapping Approach. Environ Health Perspect. 2025 May;133(5):56001. doi: 10.1289/EHP15394.
- Saah SA et al. Human health risks of lead, cadmium, and other heavy metals in lipsticks. Heliyon. 2024 Nov 20;10(23):e40576. doi: 10.1016/j.heliyon.2024.e40576. eCollection 2024 Dec 15.
- Sjöström Y et al. Children’s exposure to halogenated flame retardants and organophosphate esters through dermal absorption and hand-to-mouth ingestion in Swedish preschools. Sci Total Environ. 2024 Sep 15;943:173635. doi: 10.1016/j.scitotenv.2024.173635.
Interessenkonflikte:
Seniorprofessor Dr. rer. nat. Josef Köhrle gibt an, dass keine Interessenskonflikte vorliegen.
Über die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e.V. (DGE):
Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) ist mit rund 1.600 Mitgliedern eine der größten wissenschaftlichen Fachgesellschaften für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen in Europa. Seit ihrer Gründung 1953 fördert die DGE sowohl die Grundlagenforschung als auch die klinische Forschung und Patientenversorgung, unter anderem zu Osteoporose, Adipositas, Diabetes mellitus, Fertilitätsstörungen sowie Erkrankungen der Schilddrüse, Hypophyse und Nebenniere. Darüber hinaus engagiert sich die DGE aktiv im interdisziplinären Wissensaustausch und in der öffentlichen Aufklärung. Weitere Informationen unter www.endokrinologie.net