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Beeinflussen Bakterien die Hautbarriere bei Neurodermitis?

Dass bestimmte Bakterien auf der Haut von Menschen mit Neurodermitis besonders häufig vorkommen, war bereits bekannt. Ebenso, dass die Barriere-Funktion der Haut unter der Krankheit leidet. Forscherinnen und Forscher des Helmholtz Zentrums München und der Technischen Universität München haben nun ermittelt, wie das zusammenhängen könnte. Die Ergebnisse sind im ‚Journal of Allergy and Clinical Immunology‘ nachzulesen.

Neurodermitis, auch bekannt als atopisches Ekzem oder atopische Dermatitis, wird heute als Eintrittspforte für die ‚Allergiker-Karriere‘ angesehen. Denn oft entsteht erst durch die Barrierestörung der Haut eine Sensibilisierung und manifeste Allergie. „Aktuelle Studien haben beispielsweise gezeigt, dass die Bakterienzusammensetzung der Haut Einfluss auf den Grad der Entzündung bei Neurodermitis hat“, erklärt Wissenschaftler Dr. Matthias Reiger. Er ist Co-Autor der aktuellen Arbeit und forscht im Team von Prof. Dr. med. Claudia Traidl-Hoffmann, Institutsdirektorin und Lehrstuhlinhaberin für Umweltmedizin am Helmholtz Zentrum und der Technischen Universität München. „Darüber hinaus konnte die Forschung zum Zellsystem der Hautbarriere neue Erkenntnisse über die Funktion spezieller Gene für die Aufrechterhaltung einer gesunden Haut liefern.“

Im nächsten Schritt wollten die Wissenschaftler nun herausfinden, ob zwischen Bakterien und Genen der Hautbarriere mögliche Korrelationen bestehen. Dazu sammelten sie Hautproben von gesunden Probanden sowie von Menschen mit Neurodermitis. Bei letzteren unterschieden sie die Proben je nachdem, ob der Hautbereich entzündet war oder nicht. „Von den Patienten- und Kontrollproben ermittelten wir sowohl die Zusammensetzung der Hautbakterien, als auch jene Gene, die in der betroffenen Haut besonders aktiv waren“, erklärt Bioinformatiker Prof. Dr. Avidan Neumann. Er war ebenfalls an der Arbeit beteiligt und forscht am IEM – Lehrstuhl und Institut für Umweltmedizin, UNIKA-T.

Verändern Bakterien wie S. aureus die Genaktivität?

Bei der Analyse fiel auf, dass vor allem Staphylokokken auf der Haut von Neurodermitikern dominierten. Besonders häufig war die Spezies Staphylococcus aureus, unabhängig davon, ob die betroffene Haut entzündet war oder nicht. „Bei bestimmten entzündeten Proben nahm S. aureus sogar bis zu 99 Prozent der gesamten mikrobiellen Zusammensetzung ein“, erklärt Matthias Reiger. „Zudem scheint S. aureus die anderen Staphylokokken zu verdrängen“, so der Mikrobiologe weiter. „Je öfter wir S. aureus finden, desto unwahrscheinlicher sind andere Spezies präsent.“

Für die Analyse der Genaktivität holten sich die Forscher Hilfe aus der Schweiz: Die Kooperationspartner am Schweizerischen Institut für Allergie- und Asthmaforschung (SIAF) der Universität Zürich analysierten das gesamte Transkriptom* der Hautproben. Dabei fiel ihnen auf, dass sich manche Gene signifikant veränderten, je nachdem welche bakteriellen Bewohner auf der Haut lebten. „Besonders ausgeprägt war dieser Effekt für vier Gene, die an der Instandhaltung einer intakten und stabilen Hautbarriere beteiligt sind“, erklärt Avidan Neumann.

Die Autoren um Claudia Traidl-Hoffmann planen bereits den nächsten Schritt: Auf Basis der einfachen Zusammenhänge zwischen Bakterien und Hautbarriere soll nun ein funktionelles Verständnis erforscht werden.

Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt das Ziel, personalisierte Medizin für die Diagnose, Therapie und Prävention weit verbreiteter Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus, Allergien und Lungenerkrankungen zu entwickeln. Dafür untersucht es das Zusammenwirken von Genetik, Umweltfaktoren und Lebensstil. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.300 Mitarbeiter und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der 18 naturwissenschaftlich-technische und medizinisch-biologische Forschungszentren mit rund 37.000 Beschäftigten angehören.

Am Institut für Umweltmedizin (IEM) verbindet sich translationale Forschung zur Umwelt-Mensch-Interaktion mit dem Schwerpunkt auf allergischen Erkrankungen, ein moderner interdisziplinär ausgerichteter Lehrbetrieb sowie eine umfassende und ganzheitliche Patientenversorgung in der Umweltambulanz am Klinikum Augsburg zu einem richtungsweisenden Gesamtkonzept. Alle drei Bereiche folgen dem gemeinsamen Ziel, chronischen Erkrankungen vorzubeugen und diese nachhaltig zu behandeln.

Die Technische Universität München (TUM) ist mit rund 550 Professorinnen und Professoren, 41.000 Studierenden sowie 10.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine der forschungsstärksten Technischen Universitäten Europas. Ihre Schwerpunkte sind die Ingenieurwissenschaften, Naturwissenschaften, Lebenswissenschaften und Medizin, verknüpft mit den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften. Die TUM handelt als unternehmerische Universität, die Talente fördert und Mehrwert für die Gesellschaft schafft. Dabei profitiert sie von starken Partnern in Wissenschaft und Wirtschaft. Weltweit ist sie mit dem Campus TUM Asia in Singapur sowie Verbindungsbüros in Brüssel, Kairo, Mumbai, Peking, San Francisco und São Paulo vertreten. An der TUM haben Nobelpreisträger und Erfinder wie Rudolf Diesel, Carl von Linde und Rudolf Mößbauer geforscht. 2006 und 2012 wurde sie als Exzellenzuniversität ausgezeichnet. In internationalen Rankings gehört sie regelmäßig zu den besten Universitäten Deutschlands.