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Kann das Mikrobiom in Zukunft zu einer Therapieprognose bei Krebs führen?

Möglicher Zusammenhang zwischen Erfolg von Krebstherapie und Darmmikrobiom

Jena. Krebspatienten sprechen unterschiedlich gut auf Therapien an. Wie erfolgreich die klassischen Behandlungsmethoden sind, beruht möglicherweise auf der Zusammensetzung des Mikrobioms im Darm. Darauf deuten Ergebnisse von Forschern aus Jena und Hongkong hin. Für ihre Studie untersuchten sie acht verschiedene Krebsarten. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie im Fachjournal Microbiome.

Weltweit steht etwa jeder sechste Todesfall in Zusammenhang mit einer Krebserkrankung. Zu den bekanntesten Behandlungsmethoden zählen Chemo- und Immuntherapie. Die Wirkungsweise dieser Therapien setzt darauf, dass sich die Krebszellen nicht weiter teilen oder das Immunsystem dabei unterstützt wird, die Tumorzellen abzutöten. Doch trotz der heutzutage gut entwickelten Antikrebstherapien ist die Effizienz oft nicht so hoch wie gewünscht.

„Alle Daten deuten darauf hin, dass das Darmmikrobiom, also die Gesamtheit aller Mikroorganismen, die in unserem Darm leben, für den Therapieerfolg eine wichtige Rolle spielt“, sagt Gianni Panagiotou vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie in Jena. Mit seinem Team analysierte er Stuhlproben mehrerer Krebspatienten, die mit Chemo- oder einer Kombination aus Chemo- und Immuntherapie behandelt wurden. Obwohl die Versuchsgruppe mit Patienten mit acht verschiedenen Krebsarten klein war, gelang es den Forschern bei der Stuhlanalyse einige Gemeinsamkeiten festzustellen: „Die Darmmikrobiome derjenigen Krebspatienten, die gut auf die Therapie ansprachen, weisen eine größere mikrobielle Vielfalt auf. Außerdem unterscheiden sich ihre im Darm vorkommenden Bakterienspezies von denen jener Patienten, die weniger gut auf die Therapiemaßnahmen reagierten“, so Panagiotou. In Patienten mit Therapieerfolg wurden die Spezies Bacteroides ovatus und Bacteroides xylanisolvens vermehrt gefunden, wohingegen Clostridium symbiosum und Ruminococcus gnavus vermehrt bei Patienten vorkamen, bei denen die Antikrebstherapie weniger erfolgreich verlief.

Mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse entwickelten die Forscher um Panagiotou ein auf maschinellem Lernen basierendes Vorhersagemodell: Es soll langfristig ermöglichen, vor Therapiebeginn die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Antikrebsbehandlung unabhängig von der Art der Krebserkrankung zu errechnen. Nachdem die Wissenschaftler das Modell mit den bereits gesammelten Daten gespeist hatten, testeten sie die Richtigkeit der Vorhersagen anhand einer Vergleichsgruppe. Bei der Überprüfung bewies das Modell eine hohe Voraussagegenauigkeit. „Allerdings war unsere Vergleichsgruppe bisher klein. Unsere nächste Aufgabe ist also, die bisherigen Ergebnisse durch eine größere Anzahl an Vergleichsdaten zu bestätigen“, sagt Panagiotou. Gemeinsam mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen erforscht er im Jenaer Exzellenzcluster Balance of the Microverse die Mechanismen, mit denen Mikrobiome und ihre Umwelt wechselwirken.

Originalpublikation

Heshiki Y, Vazquez-Uribe R, Li J, Ni Y, Quainoo S, Imamovic L, Li J, Sørensen M, Chow BKC, Weiss GJ, Xu A, Sommer MOA, Panagiotou G (2020) Predictable modulation of cancer treatment outcomes by the gut microbiota. Microbiome 8(1):28. doi: 10.1186/s40168-020-00811-2.

Das Leibniz-HKI

Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des Leibniz-HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet modifiziert.

Das Leibniz-HKI verfügt über fünf wissenschaftliche Abteilungen, deren Leiter gleichzeitig berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut, darunter das anwendungsorientierte Biotechnikum als Schnittstelle zur Industrie. Gemeinsam mit der FSU betreibt das HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 450 Personen am Leibniz-HKI, davon 150 als Doktoranden.

Das Leibniz-HKI ist Initiator und Kernpartner großer Verbundvorhaben wie dem Exzellenzcluster Balance of the Microverse, der Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio) und ChemBioSys, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics sowie von InfectControl 2020, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Das Leibniz-HKI ist zudem Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.

Die Leibniz-Gemeinschaft

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 selbständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften.

Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen – in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Die Leibniz-Institute unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Das Finanzvolumen liegt bei 1,9 Milliarden Euro.