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Corona

Evidenz-basierte Richtlinie zur klinischen Behandlung von COVID-19

Original Titel:
Management of hospitalised adults with coronavirus disease-19 (COVID-19): A European Respiratory Society living guideline

Kurz & fundiert

  • Richtlinie zur klinischen Behandlung von COVID-19 durch Taskforce der European Respiratory Society
  • „Lebende Richtlinie“ mit fortlaufender Aktualisierung
  • Klare Empfehlung für Antikoagulation in der Klinik und Kortikosteroide bei Sauerstoffergänzung
  • IL-6-Rezeptorantagonisten und HFNC/CPAP bedingt empfohlen
  • Ablehnung von Behandlung mit Hydroxychloroquin und Lopinavir-Ritonavir
  • Bedingte Ablehnung von Azithromycin und Colchicin
  • Geteilte Meinungen zu Remdesivir: Einsatz optimal in klinischen Studien und nicht bei invasiver Beatmung

 

DGP – Eine Taskforce der European Respiratory Society identifizierte nun wesentliche, pharmakologische und nicht-pharmakologische Interventionen für die erste Version einer „lebenden Richtlinie“ zur klinischen Behandlung von COVID-19. Das Gremium empfiehlt Antikoagulation für alle klinisch behandelten Patienten mit COVID-19. Sobald Sauerstoff ergänzend gegeben werden muss, soll auch die Behandlung mit Kortikosteroiden erfolgen. Als bedingt empfehlenswert werden IL-6-Rezeptorantagonisten und HFNC/CPAP angesehen. Die Richtlinie wird um weitere Interventionen erweitert und fortlaufend aktualisiert.


Hospitalisierte Patienten mit COVID-19 nach Infektion mit dem neuen Coronavirus SARS-CoV-2 haben ein hohes Risiko zu versterben und benötigen häufig nicht-invasiven Atemsupport oder invasive Beatmung. Die Optimierung und Standardisierung des klinischen Managements mit Hilfe Evidenz-basierter Richtlinien kann die Qualität der Behandlung und damit auch die Behandlungsergebnisse verbessern.

Evidenz-basierte Richtlinie zur klinischen Behandlung von COVID-19

Eine Taskforce der European Respiratory Society identifizierte dazu nun wesentliche, pharmakologische und nicht-pharmakologische Interventionen für die erste Version einer „lebenden Richtlinie“. Die Einschätzung der Behandlungsoptionen nach dem GRADE-System (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation) erfolgte auf Basis systematischer Reviews, die, wo möglich, durch das Expertengremium per Meta-Analysis betrachtet wurden. Die Empfehlungen wurden durch die Chinese Thoracic Society bestätigt, von der drei Experten auch vollwertige Mitglieder des Gremiums für die vorliegende Richtlinie waren.

Basierend auf der vorhandenen Evidenz zum Zeitpunkt der Erstellung der Richtlinie (20. Februar 2021) gab das Gremium eine starke Empfehlung für den Einsatz systemischer Kortikosteroide bei Patienten ab, die mit Sauerstoff supplementiert werden oder Atemsupport benötigen. Ebenso stark wird auf der derzeitigen Datenbasis der Einsatz von Antikoagulation bei hospitalisierten Patienten empfohlen.

Klare Empfehlung für Antikoagulation in der Klinik und für Kortikosteroide bei Sauerstoffergänzung

Unter bestimmten Bedingungen empfiehlt das Gremium IL-6-Rezeptorantagonisten (monoklonale Antikörper). Hierbei steht nach Einschätzung der Experten noch eine klarere Identifizierung der optimalen Patientenpopulation aus, die von dieser Behandlung profitieren würde. Ebenso wurden HFNC (high flow nasal cannula oxygen) und CPAP (continuous positive airway pressure) bei Patienten mit hypoxämischem Atemversagen bedingt empfohlen.

IL-6-Rezeptorantagonisten und HFNC/CPAP bedingt empfohlen

Starke Empfehlungen wider bestimmte Therapieoptionen wurden auf Basis der Evidenzlage zu Hydroxychloroquin und Lopinavir-Ritonavir abgegeben. Bedingt ablehnend bewertete das Komittee den Einsatz von

  • Azithromycin: Ohne vorliegende bakterielle Co-Infektion sieht das Gremium keinen klaren Grund für eine Behandlung mit dem Antibiotikum, da die bisherige Datenlage keinen Behandlungsvorteil bei COVID-19 aufzeigt.
  • Hydroxychloroquin plus Azithromycin: Obwohl nur begrenzt Daten zur Kombination der Wirkstoffe vorliegen, schließt das Gremium aufgrund der Unwirksamkeit von Hydroxychloroquin oder Azithromycin allein, zusätzlich zum kardialen Nebenwirkungsprofil von Hydroxychloroquin, dass die Kombination nicht empfehlenswert ist.
  • Colchicin: Aufgrund des Mangels an klaren Vorteilen mit einer Erhöhung adverser Ereignisse empfiehlt das Komittee, die Behandlung nicht einzusetzen, bevor keine weiteren Daten vorliegen.

Ablehnung von Hydroxychloroquin und Lopinavir-Ritonavir, sowie bedingt von Azithromycin und Colchicin

Zu Remdesivir war das Gremium geteilter Meinung, da das Gleichgewicht zwischen Vorteilen und Nachteilen der Behandlung aufgrund der Datenlage unsicher ist. Die Daten legen allerdings nahe, schließen die Richtlinien-Autoren, dass für Patienten-Untergruppen mit invasiver mechanischer Beatmung die Behandlung mit Remdesivir keinen Vorteil bringt und somit nicht zu empfehlen ist. In anderen Fällen raten sie zum Einsatz, vor allem im Rahmen randomisierter klinischer Studien, um das Wissen zu Behandlungseffekten mit Remdesivir zu verbessern.

Details zu den der jeweiligen Einschätzung zugrundeliegenden Evidenzen und Empfehlungen des Gremiums zu Forschungsfragen sind im Originalartikel einzusehen.

Geteilte Meinungen zu Remdesivir: Einsatz optimal in klinischen Studien und nicht bei invasiver Beatmung

Die aktuell vorliegende Evidenz bietet somit klare Empfehlungen für und wider spezifische, klinische Interventionen. Das Gremium empfiehlt Antikoagulation für alle klinisch behandelten Patienten mit COVID-19. Sobald Sauerstoff ergänzend gegeben werden muss, soll auch die Behandlung mit Kortikosteroiden erfolgen. Konditional empfiehlt die Richtlinie ab diesem Stadium auch den Einsatz von monoklonalen IL-6-Rezeptorantagonisten. Als konditional empfehlenswert bei nicht-invasivem Sauerstoffsupport wird der Einsatz von HFNC oder CPAP gesehen.

Das Gremium betont, dass diese Richtlinie ein lebendiges Dokument darstellt – neue Evidenz wird fortlaufend überprüft und Empfehlungen entsprechend angepasst. Dies betrifft auch Empfehlungen zu weiteren Therapien, die hier noch nicht adressiert wurden, wie etwa Konvaleszentenplasma oder monoklonale Antikörper gegen SARS-CoV-2. Solche Themen sollen in zukünftigen Versionen ebenfalls berücksichtigt werden.

[DOI: 10.1183/13993003.00048-2021]

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